Manifest Destiny, Band 2 (Cross Cult)

Juli 25, 2016

Manifest Destiny, Band 2 (Cross Cult)

Unerschrocken führen die beiden Forscher Meriwether Lewis und William Clark ihre Expedition weiter, auf die sie Präsident Thomas Jefferson höchstpersönlich geschickt hat. Die Mission: einen Landweg zur Pazifik-Küste und zurück zu finden. Offiziell. Aber eigentlich geht es darum, diese wahre Terra Incognita zu erkunden, dort hausende Menschen (sprich Indianer) zu treffen und vor allem auch Wesen zu konfrontieren, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Schon auf dem ersten Reiseabschnitt machte der Trupp aus Soldaten, Mördern, Halsabschneidern und anderen angenehmen Gesellen unsanfte Bekanntschaft mit dem, was in der Wildnis lauert, als man auf ein Fort traf, das von seltsamen Pflanzenwesen überrannt wurde. Knapp mit dem Leben davongekommen, schippern Meriwether und Clark weiter flussaufwärts, mit einer bunten Mischung aus den angeheuerten Subjekten und den aus dem Fort Geretteten – darunter die bemerkenswert begabte Indianerin Sacagawea und die forsche Mrs. Boniface, die schnell durchschaut, dass die beiden Anführer ihrer Mannschaft bei weitem nicht die ganze Wahrheit auftischen. Als das Schiff mitten im Fluss stecken bleibt, macht man die nächste unheimliche Entdeckung: Stein des Anstoßes ist ein riesiger organischer Bogen, der vom Grund des Gewässers aufragt. Das ist kein gutes Zeichen, das wissen wir schon aus den bisherigen Ereignissen, wo ein ähnliches Gebilde Vorbote unheimlicher Angriffe war.

Flugs versucht man, das Schiff freizubekommen, aber erneut erweist sich der Bogen als böses Omen: im Fluss lebt ein riesiges, froschähnliches Ungetüm, das die ausgesetzten Beiboote zum Kentern bringt und sich an einigen Männern gleich gütlich tut, bevor sich der Rest an Land rettet. Fortan ist die Expedition getrennt: auf dem Schiff bemüht sich Lewis um einen Plan, während Clark mit den Überlebenden am Ufer kampiert und die nahegelegenen Wälder ausspäht. Dort allerdings wartet – wenig überraschend – gleich weiteres Kroppzeug: übergroße Moskitos machen Jagd auf die Gestrandeten und legen ihre Larven gerne mal in ihren Opfern ab. Genau das passiert, als sich der ex-Sträfling Hardy über Miss Irene hermacht, die eigentlich nur seinen Schutz suchte – beide werden infiziert, überleben die Attacke aber, nachdem die Larven ausgeschlüpft sind. Unter permanenter Bedrohung durch die Monster-Moskitos und ohne Aussicht, das Schiff jemals aus eigener Kraft freizubekommen, verfällt Lewis auf einen tolldreisten Plan: wenn man die Riesenkröte, die er kurzerhand Ranidea tauft, schon nicht töten kann, dann kann man sie ja vielleicht einfangen und als Lasttier missbrauchen. Dafür braucht man allerdings einen Köder, und der Möchtegern-Vergewaltiger Hardy bietet sich dafür bestens an…

Auch im zweiten Band dieser phantasiesprühenden Fortspinnung der historisch verbürgten Expedition, die 1804 in der Tat in Richtung Pazifik unterwegs war, liefert Chris Dingess wieder eine höchst unterhaltsame Variation auf 50er-Monsterstreifen und Space Operas, gewürzt mit einer ordentlichen Prise „X-Files“. Waren es in der ersten Storyline noch monströse Pflanzenwesen, die à la „Invasion of the Body Snatchers“ und „The Day Of The Triffids“ attackierten, ist es nun – getreulich dem Titel – die Welt der Insekten und Amphibien, die unseren Helden und Antihelden zu schaffen macht. Mit ungeheuerlichen Kröten und Monster-Moskitos schlägt Dingess dabei den direkten Bogen zum 70er-Öko-Horror, als Ekelfeste wie „Frogs“ oder auch intellektuelle Traktate wie „Phase IV“ das unterschwellige Unbehagen ob der fortschreitenden Umweltzerstörung ans Licht brachten. Gleichzeitig zeigt Dingess aber auch zutiefst satirisch, dass entgegen der Manifest Destiny – also dem angeblich göttlichen Auftrag der USA zur Landnahme und Unterwerfung der Erde – vor allem der amerikanische Mensch des Menschen Wolf ist: es herrscht Misstrauen und offene Brutalität, die den Trupp unterwandert und im Angriff Hardys auf die hilflose Irene kulminiert. Farbenfroh, schockierend und dynamisch erscheint die Darstellung von Matthew Roberts, die in den ganzseitigen Gruselmomenten teilweise an die seligen EC-Comics der Zeit erinnern, bevor der Comics-Code zuschlug und sich die Comicwelt einige Dekaden in Albernheiten ergehen musste. Eine schaurig-vergnügliche Höllenfahrt, die es in sich hat und der wir gerne weiter folgen. Der vorliegende Band 2 der deutschen Ausgabe versammelt die US-Image-Hefte „Manifest Destiny“ 7-12, die erstmals 2014 erschienen. (hb)

Manifest Destiny, Band 2: Insecta & Amphibia
Text: Chris Dingess
Bilder: Matthew Roberts, Owen Gieni (Farben)
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
20 Euro

ISBN: 978-3-86425-827-5

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