Adieu, Hansrudi Wäscher…

Januar 8, 2016

Hansrudi Wäscher 1

Lehning. Piccolos, Großbände. Sigurd, Nick. Hansrudi Wäscher. Schlagworte und Namen, die die deutsche Comicgeschichte trotz aller damaligen Widrigkeiten geprägt haben. In den Fünfziger und Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Vor unserer Zeit. Dabei sind wir comicleser.de-Herren auch nicht mehr die Jüngsten. Vielmehr verbinden wir die o.g. Begriffe eher mit schlechtem Papier und teuren Sammlerstücken für gediegene ältere Herren, die noch mit handgeschriebenen, uralten Checklisten und Heften die Kölner Comicmesse bevölkern. Und mit Endlosserien, bei denen man als Normal-Comicmensch und Nicht-Eingeweihter gerne mal den Überblick verliert.

Aber – man höre und staune – auch in meiner Comic-Historie gab es tatsächlich einen Wäscher Moment, auch wenn mir das damals natürlich nicht bewusst war. Etwa 1977 – ich konnte bereits lesen und sitzen – waren die goldenen Lehning/Wäscher-Zeiten längst vorbei, da schenkte man mir aus dem Kaufhausramsch einige Heftchen, als Remittenden markierte Ausgaben von Sigurd und Nick, die Nachdrucke aus dem Melzer-Verlag. Ganz in Farbe und teilweise auf Hochganzpapier. Meine erste Begegnung mit den beiden Helden. Vor allem Nick und seine Reise zur Venus, seinen Ärger mit den Marsmonden (Daimos schweigt!) hatte mich gleich gefesselt. Es war die Zeit, als ‚Star Wars‘ als ‚Krieg der Sterne‘ im Kino lief und Science Fiction der Renner war. Also leichtes Spiel für Nick. Doch leider gab es damals für mich keine Chance, an die fehlenden Hefte zu kommen und die Lücken zu füllen.

Ergänzung des Mitschreiberlings: auch ich hatte diese Offenbarung. Die Mutter erstand der Erinnerung nach in den späten 70ern beim Krämer jeweils ein Sigurd und ein Nick-Heft, weil ich schon damals auch die Ehapas verschlang, in denen Superman und Freunde mehr schlecht als recht erschienen. Nick faszinierte mich mit den pfeilschnellen Raumschiffen und den schlanken Anzügen, Sigurd entrann auf der ersten Seiten als Auflösung des vorangegangenen Cliffhangers (das Wort kannten wir damals natürlich noch nicht) einem Hinterhalt, indem er den angreifenden Lumpensohn geschickt mit der Reflektion der Sonne auf seinem Schwert blendete. Dann war er noch in einem Schloss gefangen und kippte mit einem Sessel hinunter ins Verlies – aus. Diese Endlos-Fortsetzungsgeschichten stellten uns vor eine unlösbare Aufgabe, denn unmöglich konnte man das jede Woche kaufen, geschweige denn alte Ausgaben ergattern.

Hansrudi Wäscher, 2009 beim Signieren in München

Hansrudi Wäscher, 2009 beim Signieren in München

Erst viel später. Als Hansrudi Wäscher in der Sprechblase seinen Fenrir veröffentlichte und es bei Hethke zig Nachdrucke aller möglichen seiner Serien gab, gelang mir das Schließen einiger Lücken. Dann habe ich auch kapiert, dass er eigentlich nie weg war. Etliche Buffalo Bill Hefte von Bastei, die ich besass und noch besitze (der Comic-Virus hatte längst seine Arbeit getan) waren von ihm gezeichnet.

Aber es sollte dann doch bis 2009 dauern, bis wir Hansrudi Wäscher auf dem Comicfestival in München trafen. Dort wurde er für sein Lebenswerk geehrt, dort hat er dann sogar signiert und kleine Sigurds und Nicks gezeichnet – auf den Bericht hin, der Sprößling hieße mit zweitem Namen Sigurd, schrieb er getreulich daneben: „ein Sigurd für den Sigurd“. Und er erzählte, welch ein Unfug Buffalo Bill doch inhaltlich sei, niemand habe die schweren Colts so schnell ziehen können wie Helden des Western-Mythos. Da war er also, und schrieb und zeichnete – nicht in die Lehning- oder gar Melzer-Hefte von damals, sondern in neue, hochwertige Nachdrucke und aufwendige Sekundärbände, die versuchten, sein enorm umfangreiches Werk zusammenzufassen und zu würdigen… Hansrudi Wäscher starb am 7. Januar 2016 im Alter von 87 Jahren. In seinen Helden, die die deutsche Comic-Geschichte prägten, wird er weiterleben. (bw/hb)

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