Doctor Who, Band 1 (Panini)

November 27, 2015

Doctor Who, Band 1 (Panini)

Unheimliches, ja erschreckendes geht vor in New York: im Waschsalon der Familie Gonzales springen plötzlich alle Maschinen an, die junge Gabrielle vermeint, eine geisterhafte Erscheinung zu erblicken, was ihr Papa Gonzales natürlich nicht glaubt. Der will in erster Linie, dass das Geschäft geht, aber Schwiegersohn in spe Hektor, der sich darum kümmern soll, macht eine genauso unangenehme Erfahrung und schwört Stein und Bein, den Leibhaftigen selbst gesehen zu haben. Bald grassiert eine wahre Epidemie von zutiefst verstörten, zu Tode erschreckten Menschen, keiner geht mehr auf die Straße, jeder fürchtet sich vor den grauenerregenden Erscheinungen, die allerdings immer nur derjenige sehen kann, der sich ängstigt. Auf einer Fahrt in der U-Bahn schließlich wird Gabrielle von einem Monster verfolgt, dass ihr selbst verdächtig ähnlich sieht – und da greift schließlich ein adretter junger Herr ins Geschehen ein, der die Straßen schon vorher mit Trenchcoat und Schallschraubenzieher durchstreifte.

Der etwas skurril wirkende Typ stellt sich als „Der Doktor“ vor, der in seiner blauen Polizei-Notrufzelle durch Raum und Zeit reist und überall dort zur Stelle ist, wo es brenzlig wird. Und genau das geschieht derzeit in New York: denn die Wesen aus der Psychosphäre sind im Krieg. Diese Parallelwelt, die die Welt umgibt, beherbergt nicht nur die Pranavoren, die sich von positiver Energie ernähren und Glücksgefühle verstärken, sondern auch das Gegenteil: die Zerebravoren, die sich an Angst und Schrecken eines Wirtes laben, dessen Urängste sie Gestalt werden lassen, indem sie gerne auch mal in seine Form schlüpfen. Irgendwie ist es diesen bösartigen Viechern gelungen, eine Brücke in unsere Dimension zu bauen, die geradewegs im Waschsalon der Gonzales‘ endet. Um die drohende Invasion zu stoppen, wirft sich der Doktor gewohnt todesmutig in die Bresche und geht den Weg in die andere Richtung, um das Kroppzeug vor Ort ordentlich Mores zu lehren. Was natürlich nur gut ausgehen kann, wenn Fräulein Gabrielle den Rückweg lange genug offen halten kann…

Hierzulande eher einem kleinen Kreis vertraut, gehört der gute Doktor in England zur kollektiven Sonntag-Vormittag-Fernseh-Erinnerung ganzer Generationen. Seit die erste Episode „An unearthly child“ 1963 über die britischen Mattscheiben flimmerte, entwickelte sich die Serie (die das ZDF damals zwar prüfte, aber letztlich nicht brachte) um den Timelord, der in seinem Raumschiff Tardis (in Form einer Polizei-Notruf-Box, die innen größer ist als außen) durch Welten, Dimensionen und Zeiten reist, dabei immer wieder seine Gestalt wechselt und stets mit einer bevorzugt ansehnlichen menschlichen Begleitung unterwegs ist, zum Kult-Dauerbrenner. Bis vor nicht allzu langer Zeit regierte der Doktor allerdings nur im Nerd-Himmel – dank der 70er-Jahre-Folgen mit Schlapphut und Hippie-Schal oder auch der Hammer-Kinofassung mit Peter Cushing galt die Serie ähnlich wie Star Trek mehr als Objekt einer eher ironischen Verehrung, die sich in Doctor Who-Marathons der entsprechenden Societies an den einschlägigen Universitäten äußerte.

Dann allerdings gelang der BBC das gleiche Kunststück, das J.J. Abrams mit Raumschiff Enterprise vollbrachte: der Stoff, aus dem doch eigentlich nur hornbebrillte Träume waren, wurde cool. Diesen Trick schaffte man durch mehrere Kunstgriffe – elegantes, futuristisch-postmodernes Design, endlich ordentliche Spezialeffekte anstelle von Pappkulissen, komplexe, düster-erschreckende Stories und vor allem Schauspieler aus der allerersten Garde. Schon die erste Staffel des Reboots, die 2005 auf die Fernsehgemeinde losgelassen wurde, wartete mit Christopher Eccleston als Doktor (leicht psychopathisch, genial), Billie Piper als Begleiterin (lecker!!) und jeder Menge packender Geschichten auf, in denen der Doktor gegen Monster, Mutanten und auch seine Nemesis, die Daleks (Schlachtruf: „exterminate! kill!“) und Cyberman, antritt. Der Mythos war wiederbelebt, wie die neuen Abenteuer von Kirk und Mannschaft durfte man auch als hipper Mensch den Doktor gut finden, und so läuft die neue Serie mittlerweile in der neunten Staffel mit dem zwölften Doktor Peter Capaldi.

Geradezu prädestiniert für die Comic-Gemeinde, erblickte der gute Doktor 2014 folgerichtigerweise beim englischen Titan-Verlag auch das Licht der Seiten der Bildgeschichten, die mit der zehnten Inkarnation David Tennant, der die Rolle nach der ersten Staffel des Neustarts direkt von Eccleston übernahm, ins Geschehen einsteigen. In der TV-Serie verabschiedete sich der zehnte Doktor 2008 von seinen Begleiterinnen und reiste fortan alleine durchs Universum, wo die Comic-Adaption nun ansetzt. Wie in den Comicfassungen der X-Files werden auch hier die bekannten Rahmenbedingungen und Figuren für alternative Storylines genutzt, die sich in erster Linie Fans der Fernsehserie erschließen. Ob die Zeichnungen von Elena Casagrande nun nah genug an den Vorbildern orientieren, mag jeder selbst beurteilen, Tennnants Charakterisierung des Doktors als charmanter, eloquenter Gentleman wird durch Autor Nick Abadzis bestens getroffen.

Die neue Begleitung Gabrielle entstammt wie schon die Billie-Piper-Figur Rose aus dem Arbeitermilieu, was des Öfteren zu amüsanten Kontrasten zum eher aristokratisch-mondänen Doktor führt und auch Raum für moderne Fragestellungen wie Selbstbestimmung und Generationenkampf gibt. In erster Linie aber bietet die Comicfassung einen schmissigen Dimensionstrip, der ohne Daleks auskommt und eher auf die Psycho-Horror-Schiene setzt, die auch einige der besten TV-Episoden ausmacht. Alle Freunde des guten Doktors können bei diesem Band, der die Originalhefte ‚Doctor Who: The Tenth Doctor‘ 1-5 versammelt, bedenkenlos zugreifen. Die Fernsehserie läuft u.a. im Bezahlsender Fox HD – auch im englischen Originalton. (hb)

Doctor Who, Band 1 – Der 10. Doctor: Herrschaft des Schreckens
Text: Nick Abadzis
Bilder: Elena Casagrande, Arianna Florean
132 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-287-2

 

Tags: , , , , , , ,

Comments are closed.