Psychiater hören ja so manche Geschichten, aber was die kleine Anne zu berichten hat, klingt besonders abenteuerlich. In ihre Adoptivfamilie hat sie eine schwarze Katze mitgebracht, die auf den Namen „Bestie“ hört und reichlich bedrohlich wirkt. Die neuen Eltern liegen im Dauerstreit miteinander, die Ehe scheint komplett im Eimer, als unter mysteriösen Umständen der Herr Vater vergiftet und die Mutter von der Katze gebissen wird. Als in der Wohnung ein Feuer ausbricht, kommt die Familie gerade nochmal mit dem Leben davon. Während die Eltern sich von ihren Verletzungen erholen, schickt man Anne zu ihrer Tante Joyce, die einen Bauernhof betreibt.
Auch hier dauert es nicht lange, bis die „Bestie“ auftaucht und Anne sogar bis in die Schule verfolgt. Selbst der Versuch, das Tier im Bad zu ertränken, schlägt fehl – die Katze scheint in der Tat neun Leben zu besitzen. Nun wird Anne die Sache zu bunt, sie versucht, die Katze zu vergiften, in einer Falle dingfest zu machen: alles schlägt fehl, worauf Anne kurzerhand den ganzen Stall abfackelt und schließlich per vermeintlich magischem Dolch auf das Tier losgeht und es mehr oder weniger zerfetzt. Die Eltern nehmen Anne wieder bei sich auf, aber es dauert nicht lange, bis wieder eine schwarze Gestalt am Fenster auftaucht…
Die Haustierhalterschaft zerfällt bekanntlich in Katzen- und Hundemenschen, wobei die felinen Vertreter sich anscheinend nichts daraus machen, dass Katzen im Gegensatz zu den getreulichen Hunden gerne spöttisch dreinschauen und keinen Zweifel daran lassen, wer Herr im Hause ist. In der Mythologie sind Katzen ebenfalls reichlich belegt, entweder als Unglücks- und Magiesymbol, das Hexen aller Couleur begleitet, bis hin zu eher wohlwollenden Gottheiten wie der ägyptischen Bastet, die als Beschützerin von Familie und Kindern verehrt wurde. Im twist dieser Story – spoiler alert! – stellt auch hier die mittlerweile erwachsene Anne fest, dass das vermeintlich bedrohliche Tier sie ganz im Gegenteil in all den Jahren schützend begleitet und gewissermaßen die Pfote über sie gehalten hat. Im abschließenden Teil reist sie denn auch nach Griechenland, an den Ort einer uralten Fehde, die einst die mythologische Kraft Bastets erst begründet hatte.
Somit inszeniert Matt Kindt (BRZRKR, Sweet Tooth, MIND MGMT) ein Vexierspiel, das sich über weite Strecken als blanker Horror im Stile eines Edgar Allan Poe ausgibt und sich vor Horror-Manga-Meister Junji Ito und Anime-König Hayao Miyazaki verneigt, dann aber eine harte Biegung nimmt und in einen übernatürlichen Thriller mündet. Psychologisch könnte man das Ganze auch als Bewältigungsstrategie der kleinen Anne lesen: die zerrütteten Verhältnisse der Adoptivfamilie lastet sie der Katze an, um sich selbst davon distanzieren zu können. Aber das liegt im Auge des Lesers, der sich an der Gestaltung durch Tyler und Hilary Jenkins laben kann, die irgendwo zwischen Cartoon und Manga angelehnt den Horror in und um Anne gekonnt hervorruft. Bei Cross Cult erscheint der Band mit einem reichhaltigen Anhang mit diversen Skizzen und einer Cover-Galerie. (hb)
Hairball
Text & Story: Matt Kindt
Bilder: Tyler Jenkins, Hilary Jenkins
152 Seiten in Farbe, Softcover
Cross Cult
25 Euro
ISBN: 978-3-98666-678-1
