Groaning Drain (Carlsen)

September 16, 2024
Groaning Drain - Horror aus dem Untergrund (Carlsen Manga)

Weiter geht’s bei Carlsen mit einem weiteren Titel aus der Junji Ito Bibliothek, der natürlich wieder als schmucker Hardcover-Deluxe Band erscheint. „Groaning Drain“, im Original bereits 2013 erschienen, umfasst sechs längere Kurgeschichten mit jeweils 60 Seiten Umfang, dazu abschließend zwei Storys mit zehn bzw. 16 Seiten. Los geht die Horror-Chose mit „Ein übernatürlicher Schulwechsel“: Fünf Klassenfreunde bilden einen Zirkel, der sich dem Übernatürlichen widmet. Als Ryo, ein neuer Schüler, dazu stößt, geschehen erste seltsame Dinge. Ungewöhnliche Pflanzen tauchen auf, plötzlich befindet sich im Ort ein Wasserfall und ein See, dort wo vorher Häuser standen. Was hat es mit Ryo auf sich und ist er für die Vorkommnisse verantwortlich? Uri Geller lässt grüßen. Aus einer anfänglichen Löffelverbiegerei erwächst echter Horror. Dank Ryo, der stets nach außen unbekümmert und begeistert daherkommt, was seine Figur nur noch unheimlicher macht.

„Groaning Drain“ (dt. Stöhnender Abfluss) ist die Titelstory des Bandes. Und die muss man natürlich – ganz Ito-mäßig – wörtlich nehmen. Eine Mutter und ihre beiden Töchter, Reina und Mari. Alle drei, v.a. die Mutter, haben eine ausgeprägten, schon fast manischen Sauberkeits-Fimmel. Nach einem vertuschten Familiendrama ertönen in dem Haus aus sämtlichen Leitungen und Abflüssen unerklärliche Stöhn-und Klage-Geräusche. Was oder wer kann dafür verantwortlich sein? Wie die meisten Geschichten in dem Band eine Story ohne finale Erklärung. Grusel, der nur in der Fantasie entsteht (bis auf dem Schluss). Und das ist bekanntlich der beste. „Blutfrüchte“ ist dann doch weniger subtil. Und wieder wild: Irgendwo im nirgendwo hat ein junges Paar einen Unfall und muss zu Fuß nach einem Telefon suchen (Handys gibt es keine). Die beiden kommen in ein vermeintlich verlassenes Dorf zu einem ebenso vermeintlichen Einsiedler. Bis sich der Horror langsam aber sicher Bahn bricht…

„Henkerballon“ ist dann tatsächlich noch abstruser. Die Story beginnt mit einer beklemmenden Situation: die junge Kazuko verbarrikadiert sich seit einer Woche in ihrem Zimmer. Warum, wird rückblickend erzählt. Terumi, ein Jungstar und Klassenkameradin von Kazuko, erhängt sich, danach wird ihr riesiger Kopf im Himmel schwebend gesichtet. Massenhysterie? Kollektive Sinnestäuschung? Oder der Beginn einer Apokalypse? Wer Itos Geschichten kennt, weiß es. Auch optisch höchst befremdlich wandelt die Story und ihr Hauptmotiv auf einem schmalen Grat zwischen Horror und Albernheit. Das betrifft auch „Das Marionettenhaus“: Ein Vater und seine drei Kinder halten sich mit einem fahrenden Puppentheater über Wasser. Später erlangt einer der Söhne Wohlstand. Aber er und seine Familie werden zu menschlichen Marionetten, die sich absichtlich von Hausangestellten lenken lassen. Auch hier dauert es, bis der Horror eskaliert, dann aber umso blutiger und verstörender. Wer ist nun der „Master of Puppets“?

„Fleischfarbe ist schick“ – der Titel der letzten längeren Story verheißt nichts Gutes. Der Bub Chikara Kawabe fällt im Kindergarten auf, nicht nur mit seiner seltsam dünnen Haut und seinem schon fast gespenstischen Aussehen. Dann trifft seine Lehrerin die Mutter und die Tante des Jungen. Und kommt langsam hinter das Geheimnis, das die Familie umgibt. Denn das ist zum aus der Haut fahren – wörtlich genommen. Die beiden letzten Storys sind kurz, prägnant und heftig: „Vom Radar verschwunden“ dreht sich um einen mysteriösen Flugzeugabsturz und in „Tief im Boden“ verfolgen wir die Bergung einer Zeitkapsel in einer Schule nach 20 Jahren, die zum Alptraum führt. Auch hier in diesem Band beginnen die Geschichten, v.a. die längeren Episoden, vergleichsweise harmlos, wenn auch unheilschwanger. Dann münden sie in kleine oder große apokalyptische Szenarien, indem der Horror eskaliert, konsequent und ungeachtet von Abstrusitäten in Handlung und Darstellung, bis zum vermeintlich bitteren, wenn auch offenen Ende. Das haut gut rein. (bw)

Groaning Drain – Horror aus dem Untergrund
Text & Bilder: Junji Ito
402 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Carlsen Verlag
25 Euro

ISBN: 978-3-551-71250-9

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