Brasilien, 7. September 1954: die Filmdiva Ava Gardner schwebt auf dem Flughafen von Rio ein, begleitet von einem kleinen Hofstaat. Auf Einladung eines örtlichen Medienmachers will man den aktuellen Streifen der Dame promoten, der unter dem Titel „Die barfüßige Gräfin“ in die Kinos kommt. Schon die Ankunft verläuft reichlich chaotisch, die Diplomatenpässe sind nicht da, die erfolgsverwöhnte Schauspielerin sieht sich von tobenden Fans bestürmt, das Hotel entspricht nicht dem Gusto der Dame. Als dann auch noch Avas Noch-Ehemann Frank Sinatra anruft und freimütig berichtet, dass er sich gerade anderweitig vergnügt, greift Ava wie sonst auch gerne zum Whisky.
Am nächsten Tag berichten die Zeitungen genüsslich und weitgehend frei erfunden über angebliche Randale und deplatziertes Benehmen des Gastes aus den imperialistischen USA. Ava versucht, die Wogen mit einer Pressekonferenz zu glätten, aber das geht reichlich schief. Zu allem Überfluss lauert ihr des Nachts auch noch ihr glühender Verehrer Howard Hughes auf, der ihr wieder einmal einen Heiratsantrag macht, reich beschenkt und derartig bedrängt, dass sie sich handgreiflich zur Wehr setzen muss. Als dann auch noch Avas Zofe Rene in einen Erpressungsversuch durch Untergrund-Revoluzzer gerät, ist das Maß voll: quasi in beiderseitigem Einverständnis bricht man den Besuch ab und reist weiter zum nächsten Stopp…
Ava Gardner gehörte in den 40er und 50er Jahren zu den glanzvollsten Figuren, die die Traumfabrik von Hollywood zu bieten hatte. Nach eigenen Worten keine begnadete Schauspielerin, stieg das Mädchen, das in North Carolina in einfachen Verhältnissen aufwuchs, durch ihre sprichwörtliche Schönheit zum Inbegriff des Glamour-Stars auf. Neben der Leinwand – wo Gardner mit Größen wie Burt Lancaster („The Killers“ von 1946), Gregory Peck („Schnee am Kilimandscharo“ von 1952) und Clark Gable („Mogambo“, 1954) auftrat – machte Gardner auch durch ein stürmisches Privatleben von sich reden: nach diversen kurzlebigen Ehen heiratete sie Frank Sinatra, dessen Stern zu sinken begann. Aufgrund permanenter Seitensprünge des Entertainers, der Gardner immerhin seinen größten Film-Erfolg zu verdanken hatte – die Rolle in „From Here To Eternity“ ergatterte er auf ihre Intervention hin – ging allerdings auch diese Beziehung in die Brüche.
Stetige Avancen machte ihr in der Tat auch der Technik- und Film-Mogul Howard Hughes, dessen großzügige Angebote Ava allerdings nie annahm (ob es aber jemals zu einer heftigen Konfrontation wie in dieser Graphic Novel dargestellt kam, bleibt im Nebel des Zelluloids verborgen). Tatsache ist, dass „Die barfüßige Gräfin“, im Original „The Barefoot Contessa“, von Veteran Joseph L. Mankiewicz in der Figur der Maria Vargas eine kaum kaschierte Abrechnung mit dem Star-Mythos darstellt, der recht nahe an realen Stars und Sternchen wie Rita Hayworth (der die Rolle zuerst angeboten wurde) und eben Ava Gardner gezeichnet wird.
An der Seite von Humphrey Bogart lieferte Gardner (die hier gerne ebenfalls ihre Schuhe ablegt) ihre wohl beste Leistung ab, auch wenn, so legen es ihr Emilio Ruiz und Ana Miralles (u.a. „Djinn“, ebenfalls bei Schreiber & Leser) in ihrer Darstellung der turbulenten zwei Tage in Rio in den Mund, sie unter dem öffentlichen Urteil voller Doppelmoral und der ständigen Hatz durch Journalisten litt: „Ich wusste genau, dass dieser Film nichts weiter ist als eine traurige Parodie auf mein Leben. Lügen, gestrickt aus Halbwahrheiten. Darin liegt doch die Kunst des Kinos, oder?“
Ruiz und Mirallès liefern damit nicht nur ein faszinierendes kleines Stück Filmgeschichte, frei erzählt nach realen Motiven, sondern auch einen klugen Kommentar auf die Doppelbödigkeit der Filmfabrik, die Träume herstellt und verkauft, was den Protagonisten zwar Ruhm und Reichtum, aber nicht unbedingt Glück schenkt. Optisch erscheint das Rio der 50er Jahre atmosphärisch sicher eingefangen, mit ikonischen Ausblicken wie etwa vom Zuckerhut herunter auf die Copacabana, ebenso wie die legendäre Gestalt der Ava beeindruckend und leicht stilisiert durch die Seiten schwebt. Damit eine faszinierende Vignette aus der Blütezeit des klassischen Kinos, die Laune macht, die Gräfin ohne Schuhe wieder einmal zu entdecken. (hb)
Ava – Die barfüßige Gräfin
Text & Story: Emilio Ruiz
Bilder: Ana Miralles
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Schreiber & Leser
24,80 Euro ISBN: 978-3-96582-166-8