Stille Wasser sind bekanntlich gerne tief: Von all den kaputten und gestörten Charakteren, die unserem inzwischen wohlbekannten, halbseidenen „Trödeltrupp“ angehören, schien der junge Albert noch einer der harmlosesten zu sein. Bestenfalls eine morbide Ader konnte man ihm bisher attestieren, die sich in der Liebe und Hingabe zu einer Toten manifestiert. Die Tote ist Dolores und war eine „Kundin“ des Trupps. Albert hat sie also zu Lebzeiten nie kennengelernt, weiß aber alles über sie, weil er deren Nachlass, darunter ihre Tagebücher, erworben hat. Aber da wir inzwischen die Mechanik dieser Serie kennen, ist auch klar, dass Albert, der v.a. von Eugène ständig verspottet und gepiesackt wird, mehr Leichen im Keller hat als nur die seltsame Verehrung einer Toten. Und tatsächlich erweist sich seine morbide Ader als nur die äußere Spitze eines psychopathischen Eisbergs, der alles, was wir über seine „Kollegen“ wissen, wie auch deren Taten und Vergangenheiten, mühelos in den Schatten stellt.
Neugierig geworden? Zu recht. Aber es wird immer schwieriger, hier Dinge preiszugeben. Zu komplex sind inzwischen die Zusammenhänge und Querverweise in den Storys, die sich Serien-Zampano Gaëtan Petit, alias Gaet’s hier ausgedacht hat. Zur Erinnerung: Jeder Band behandelt eine Person und erzählt deren Geschichte in Rückblenden aus der jeweiligen Ich-Perspektive, wobei die Erzählzeiträume in der Gegenwart weitgehend identisch sind. Dreh-und Angelpunkt wird dabei immer wieder das Verschwinden des wertvollen Ringes und dessen Folge, nämlich den Mord an Ahmed (der ja Polizist war und im letzten Band im Mittelpunkt stand). So erfahren wir tröpfchenweise immer mehr über die einzelnen Personen, deren Motive und Beziehungen, auch untereinander. Wobei Gaet’s seine Leserinnen und Leser regelmäßig mit Überraschungen, neuen Blickwinkeln und unerwarteten Wendungen versorgt, etwa wenn er bisher unbekannte Zusammenhänge herstellt. Was die Serie tatsächlich von Band zu Band faszinierender macht.
Was bleibt ist der visuelle Ekelfaktor, den wir auch bereits kennen. Immer wieder, schon fast genüsslich, präsentiert Zeichner Julien Monier Panels mit Leichen, die schon so lange tot sind, dass Insekten dort inzwischen Heimat und Nahrungsquelle gefunden haben. Aber auch die Lebenden, auf die wir treffen, sind keine leuchtenden Vertreter ihrer Spezies. Jeder kocht eben sein eigenes verdorbenes Süppchen. Der nächste Band, der im Dezember erscheinen wird, erzählt dann die Geschichte von Fanette, der attraktiven Kneipenwirtin, die mit dem „Trödeltrupp“ enger verbunden ist, als es bisher den Anschein hatte. Was uns auch nicht mehr überrascht (und genau das dennoch tun wird). Der abschließende Band 6 erscheint in Kürze in Frankreich und widmet sich dem Misanthropen Eugène, dessen Schicksal hier bereits geteasert wird. Aber bis es soweit ist, lassen wir Albert den Vortritt, für den ein „netter kleiner Film mit Kindern“ John Carpenters „Village of the Damned“ ist. Und das sagt schon einiges über den morbiden Spaß dieser Konzept-Serie aus. (bw)
RIP, Band 4: Albert – Möge deine Seele mit mir sein!
Text & Story: Gaet’s
Bilder: Julien Monier
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-96792-344-5
