Ukraine, nahe des Dnepr bei Kiew im März 1643: der junge Karlis ist Husar, genauer gesagt ein geflügelter Husar, der in Diensten des Königs von Polen gegen die Russen kämpft und anschließend die Kosaken ihrer Waffen berauben soll. Karlis, der eigentlich Theologie studierte und nur wegen des Todes seines Bruders zu den Husaren ging, schreckt vor dem Grauen des Krieges derartig zurück, dass er desertiert und sich eine tagelange Verfolgungsjagd mit seinem Hauptmann Sigismund leistet. Was er nicht weiß: sein tolldreistes Manöver wird von dem alten Kosaken Sachko und seiner Begleiterin, der Tatarin Zarah, aus dem Verborgenen aufmerksam beobachtet. Als Karlis seine Verfolger endgültig abschüttelt, tritt Sachko ihm beeindruckt entgegen und bietet dem jungen Wilden an, sich den Kosaken anzuschließen. Dieses wilde Völkchen heißt jeden willkommen, der irgendwie brauchbar ist, sonnt sich in (vermeintlicher) Freiheit und lebt von Fischerei, Jägerei und Viehzucht – ein mageres Auskommen, das – wenn es wieder mal nicht reicht – durch Söldnerdienste und gelegentliches Plündern aufgebessert wird.
Karlis fügt sich schnell in die Gemeinschaft ein, lernt Fischen und Schafscheren und beeindruckt seine Gastgeber durch seine Waffengewandtheit, während sich zarte Bande zur ebenfalls nur geduldeten Tatarin bilden. In Kiew gibt sich der König einstweilen nicht geschlagen und beauftragt Sigismund damit, seinen Auftrag, den Kosaken die Waffen zu nehmen, endgültig auszuführen. Als Unterhändler schlägt der „registrierte“, also von der Krone bezahlte, Kosak Juri vor, sich zu ergeben, aber Karlis hat eine andere Idee: gemeinsam mit einem Trupp von sieben Mitstreitern lockt er den rasenden Sigismund aus der Reserve, der unbedingt Rache am Deserteur nehmen will. Nach einem abenteuerlichen Katz-und-Maus-Spiel geraten die Kosaken in einen Hinterhalt, in dem ihnen Juri in den Rücken fällt und aus dem man um Haaresbreite entkommt. Dann aber tauchen osmanische Reiter auf: offenbar hat es die ganze Meute beim Duell mit Sigismund bis nach Moldawien verschlagen…
„Let the winged Hussars arrive!” So intonieren schon die Obergeschichtslehrer vom Tarnhosenkommando Sabaton zur Schlacht um Wien, als man die ungarischen Elitekräfte zu Hilfe rief. Vincent Brugeas (bei Splitter auch „Nottingham“) malt in seinem Epos ein etwas anderes Bild der Einheit, als treu ergebene Königsdiener, die wie anständige Soldaten zumindest nicht allzu viele Fragen stellen, wobei auch Hauptmann Sigismund durchaus seine Probleme mit dem Auftrag hat, bei Widerstand einfach alles niederzubrennen. Husaren, per definitionem eine Ausgabe der leichten Kavallerie (nicht die von Alfred Lord Tennyson, über die dann Iron Maiden sangen, das war die leichte Brigade), kamen eigentlich aus Ungarn und hielten dann als durchaus schwer berittene Einheiten auch Einzug ins polnisch-litauische Heer – wobei die namensgebenden „Flügel“ der „Hussaria“ zwei Stangen am Sattel bezeichnen, die für ein fürchterbares Aussehen sorgen sollten.
Wagemut und Furchtlosigkeit waren sprichwörtlich, wovon die sprachliche Wendung des „Husarenstücks“ heute noch zeugt. Die Kosaken (was in etwa so viel wie „freier Krieger“ bedeutet), zu denen der Litauer Karlis hier überläuft, hingegen bestanden aus einem mehr oder weniger zusammengewürfelten Reiterverband von Deserteuren, flüchtigen Leibeigenen und sonstigen Glücksrittern, die über die Steppen Osteuropas zogen und die im 17. Jahrhundert den Vorläufer der heutigen Ukraine gründeten. In dieser nicht konfliktfreie Zeit verlegt Brugeas seine Geschichte um einen jungen Idealisten, der von seinem Lebensweg weggerissen Freude an seiner neuen Heimat und nicht zuletzt einer jungen Dame findet – also eine Verbindung aus privatem (Liebes-)Schicksal und geschichtlichem Hintergrund, wie es sich für einen ordentlichen historischen Roman gehört.
Die Inszenierung von Ronan Toulhoat (u.a. „Die Totenkopfrepublik“, ebenfalls bei Splitter) und Yoann Guillo ist standesgemäß farbig, furios und mitreißend, mit atmosphärischer Farbgebung und auch der ganz großen Geste im Schlachtengetümmel und bei der Verfolgungsjagd, die den Kern dieser Episode bildet. Alles in allem ein Vergnügen, das an die hübschen Abenteuerfilme erinnert, die in den guten alten Zeiten einmal jeden Sonntag am frühen Nachmittag im Fernsehen liefen – bevor uns dann im Abendprogramm der gute Loriot vorführte, dass die Kosaken auch ein Dessert erfunden haben, das durchaus zu Streitigkeiten führen kann. (hb)
Kosaken, Band 1
Text & Story: Vincent Brugeas
Bilder: Ronan Toulhoat, Yoann Guillo
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-98721-049-5