Schottland im Jahre 1040: Macbeth und sein Gefährte Cuilé räumen in der Grafschaft Moray ganz gewaltig auf, können aber nicht verhindern, dass ein paar Aufständische den Mormaer, also den Grafen, meucheln. Immerhin können sie der Witwe Gruah und ihrem kleinen Sohn Lulach den Kopf der Täter überbringen und König Duncan später berichten, dass wieder Ordnung herrscht – auf dem Rückweg allerdings kommt es zu einer seltsamen Begegnung: in einem Steinkreis, einem Cromlech, treffen die beiden Streiter auf drei Hexen, die Macbeth mysteriöse Prophezeiungen machen. Sie grüßen ihn erst als Mormaer von Moray, dann als Ehemann der „Frau mit den roten Händen“ und schließlich als König von Schottland.
Das muss nicht stimmen, aber Macbeth gehen die „weird sisters“ nicht mehr aus dem Kopf, zumal er und sein Kumpan allzu genau wissen, dass der angebliche Aufstand nur ein Trick war, um sich die Grafschaft unter den Nagel zu reißen – was bestens gelingt, als ihn König Duncan auf einem Festgelage tatsächlich zum Mormaer von Moray macht. Als er seine neue Regentschaft aufsucht, gesteht er der Witwe Gruah die seltsamen Anspielungen der drei Hexen, die die Dame noch viel mehr als er für bare Münze nimmt. Unter der Bedingung, dass Macbeth sie zur Königin von Schottland macht, stimmt sie einer Eheschließung zu – und ist entsprechend enttäuscht, als Duncan seinen Gefolgsmann „nur“ zum obersten Armeeführer macht, der in den Krieg gegen Thorfinn Sigurdson, den aufmüpfigen Graf von Orkney, ziehen soll. Macbeth wäre eigentlich soweit zufrieden, aber die Lady verfällt in einen Rausch aus Ehrgeiz, in dem sie zwei Kammerdiener und schließlich auch den schlafenden König Duncan ermordet. So wird tatsächlich der Weg zum Thron frei für Macbeth – aber die finsteren Mächte in Form des Wahnsinns und der Schuldgefühle werden zu ständigen Begleitern, ebenso wie die düsteren Hexen, die ihr Spiel vergnügt beobachten…
„Hee thee thither!“ Zu Deutsch: mach dich dorthin! Wenn wir uns nur eine einzige Zeile des großen Barden gemerkt hätten, dann wäre es sicherlich dieser Ausruf aus der Schauermär um Macbeth, kurzzeitig König von Schottland. Shakespeares kürzeste seiner vier Tragödien ist zweifelsohne die blutigste Ausgabe (nicht umsonst gerät das Wort „blood“ zum Leitmotiv und wird zigfach wiederholt), in der es nebenbei um fehlgeleitete Ambition (nur weil drei finstere Gestalten einen als König grüßen, muss man ja noch lange nicht den Amtsinhaber aus dem Weg räumen), Ehrgeiz, zwischenmenschliche Dynamik (Lady Macbeth ist die sprichwörtliche Aufhetzerin und Scharfmacherin, die letztendlich doch der Schuld und dem Wahnsinn verfällt“) und die bei Shakespeare immer wieder beschworene Störung der natürlichen Ordnung, die behoben werden muss, geht.
Dabei griff der gute William relativ wenig auf die historischen Vorgänge rund um den schottischen König Macbeth zurück, der tatsächlich von 1040 bis 1057 Schottland regierte und dabei durchaus umsichtig agierte. Shakespeare orientierte sich eher an der doch freien Fassung in Holinshed’s Chronicles, in der es mehr um die Konstellation Duncan, Macbeth und Macduff im Vordergrund steht und die Verstrickungen um Macbeths Vorgänger und dessen Witwe im Hintergrund bleiben. Für diese furiose Adaption geht Thomas Day (u.a. „Wika“, „Der Pfad des Dao“) nun wieder etwas näher an den historischen Kontext, zeichnet Macbeth als durchaus zielstrebigen Machtmenschen, der – wie wohl auch faktisch so vorgefallen – für den Tod seines Amtsvorgängers in Moray verantwortlich ist und dann – auch wie durchaus nicht unüblich – durch weitere Gewalttaten an die Spitze des Landes gelangte.
Die psychologische Aufladung des Geschehens, die eindrucksvolle Darstellung der korrumpierenden Wirkung kompromisslosen Machtstrebens übernimmt dann allerdings in Schlüsselszenen natürlich wieder größte Sprachkünstler aller Zeiten. Zentrale Monologe, wie etwa die legendäre Beschreibung des Lebens als einer Geschichte voller Schall und Wahn, erzählt von einem Verrückten und ohne jede Bedeutung, findet sich ebenso in der berühmten Übersetzung von Schlegel wie auch Lady Macbeths finstere Aufforderung, die „Mordgedanken“ mögen sie nun „entweiben“ – und natürlich auch ihre permanenten Anfeindungen, ihr Gemahl sei kein echter Kerl, sondern viel „zu voll von Milch der Menschenliebe“. Day unterteilt das Geschehen in Buch 1, „Buch der Hexen“, und Buch 2, „Buch der Geister“ (in der vorliegenden Double-Ausgabe von Splitter zusammengepackt), und markiert rabiaten Aufstieg und anschließenden Sturz in Chaos und Wahnsinn auch formell.
Mindestens ebenso eindrucksvoll gerät indes die Gestaltung durch Guillaume Sorel (u.a. „Appartement 23“, „Ich habe Abel getötet“, „Die letzten Tage von Stefan Zweig“), dessen aquarellhafte, malerische Szenerien zwischen epischer und alptraumhafter Qualität changieren, das Leitmotiv Blut optisch kongenial umsetzen und die zunehmende Fiebrigkeit der Geschehnisse spiegelt. Somit eine großer Wurf und eine Lehrstunde für alle, die meinen, der gute Shakespeare sei verstaubt oder nicht mehr zeitgemäß. Ist er nämlich gar nicht, sondern brandaktuell, so lange Macht und Ambition einigen Zeitgenossen den Blick vernebeln. (hb)
Macbeth – König von Schottland
Text: Thomas Day
Bilder: Guillaume Sorel
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-248-8