Wild West, Band 2 (Splitter)

November 23, 2021

Ärger auf der Baustelle: Kopfgeldjäger „Wild“ Bill Hickok stellt immer noch den Mitgliedern der Snake-Bande nach und wird bei einem Bautrupp der Union Pacific Eisenbahn fündig, wo er auch gleich noch Hinweise auf den letzten Komplizen Jacob Moore bekommt. Martha Jane Cannary Burke, die der alte Haudegen Hickok aus den Fängen des Bordellbetreibers Hicks befreit hat, verdingt sich einstweilen unter dem Decknamen Martin Jane bei der Armee, um ihre Abscheu gegen die Menschheit an sich zu vergessen. In Fort Laramie sammelt sich ein Treck von Siedlern, die von der Aussicht auf Gold zum Außenposten Phil Keary aufbrechen, ein Himmelfahrtskommando, das mitten durch Indianergebiet führt, weshalb Janes Einheit als Geleitschutz abgestellt wird. Das nutzt allerdings herzlich wenig: ein Trupp Lakota überfällt den Tross und bringt dabei alle Begleiter um – bis auf Jane, die im Handgemenge ihre Weiblichkeit nicht ganz verbergen kann und von den staunenden Indianern kurzerhand mitgenommen wird. Der Medizinmann eröffnet ihr, dass Nice Deer, Sohn des Häuptlings Red Cloud, durchaus von ihr eingenommen ist, aber sich erst vergewissern möchte, dass die Holde nicht verzaubert ist.

Jane schließt bald Freundschaft mit Bitter Flower, der weißen Adoptivtochter des Medizinmanns, die die Lakota vor Jahren auf der Prärie vor dem sicheren Tod retteten und Jane nun in die Lebensweise der Indianer einführt, die alles andere als wild oder barbarisch sind. Mittlerweile trifft auf der Spur des letzten Snake-Handlangers auch Bill in Fort Laramie ein, wo ihn sein alter Dienstherr Custer mit offenen Armen empfängt. Bill muss feststellen, dass sich die Lakota, Cheyenne und Arapaho verbünden und gemeinsam unter Crazy Horse auf den Kriegspfad gehen wollen, weshalb er sich Custer als ziviler Helfer anbietet. Auf den Erkundungsritten trifft man immer wieder auf ermordete Siedler, wobei Bill lakonisch feststellt, dass die eigentlichen Hausherren eigentlich nur ihr Land verteidigen. Da macht es die Lage nicht unbedingt besser, dass sich in Fort Laramie ein gewissenloser Geschäftemacher darauf verdingt, den Indianern Gewehre zu verschachern und dabei alsbald auch bei den Lakota vorbeikommt, wo sein halbdebiler Kompagnon felsenfest behauptet, die weiße Squaw zu erkennen…

„Wohin ich auch gehe, überall ist Gesindel.“ Mit dieser bitteren Erkenntnis sucht Jane vergeblich Zuflucht vor den Grausamkeiten, die ihr angetan wurden, denn auch in den Weiten der Prärie regiert die Unmenschlichkeit und Profitgier. Wie schon in Band 1 erscheinen auch hier die vermeintlichen „Wilden“ deutlich gütiger und menschlicher als die weißen Eroberer: die Lakota nehmen Waisenkinder auf und behandeln auch Jane anständig („Das Herz hat keine Farbe“, so erklärt man das ganz einfach), die sogar zarte Bande zum Häuptlingssohn knüpft, die – maximale Ironie des Schicksals – von niemand anders als ihrem alten Retter Wild Bill zerstört werden, der Nice Deer in Notwehr tötet. Vollkommen zielgerichtet treibt der Weiße Mann die Landnahme voran, vernichtet bewusst die Lebensgrundlage der Indianer, indem er die Bisons abschlachtet, und macht Verträge, die alsbald wieder gebrochen werden.

Der desillusionierte Bill muss zusehen, wie seine alten Kampfgefährten pflichtbewusst in den Untergang reiten – „Blut und Tränen werden bleiben“, stellt der knorrige Haudegen, dem Ehre und ein Versprechen mehr wert sind als alles Geld, über das unvermeidbare Ende fest. Zutiefst pessimistisch und jeden Mythos demontierend, führt uns Thierry Gloris somit auch durch dieses Kapitel, in dem er wieder geschichtliche Realität (die historische Jane diente tatsächlich für kurze Zeit in Männerkleidern als Scout für Custers Truppen, genauso wie Bill Hickok für die Blauröcke ritt) mit fiktiven Episoden, wie etwa den Rückzug Janes in den Stamm der Lakota, mischt. Auch optisch kredenzt uns Jacques Lamontagne wieder einen Leckerbissen, der wirkt, als ob Jean Giraud einen John Ford-Western illustriert – also ausladend, episch und beeindruckend. Mit diesem Band endet der erste Handlungszyklus der Reihe, die sich, wenn man dem letzten Panel Glauben schenken darf, nun dem Goldrausch zuwenden dürfte. Wir sind gespannt. (hb)

Wild West, Band 2: Wild Bill
Text: Thierry Gloris
Bilder: Jacques Lamontagne
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15 Euro

ISBN: 978-3-96219-515-1

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