Früher, zu Schulzeiten, fuhr man mit der Klasse und mit dem Bus ins Museum. Man nannte das eine Exkursion. Die gibt es in ferner Zukunft auch noch, nur anders. Jetzt fliegt man mit dem Raumschiff zu fernen Welten, um jene zu erkunden und damit in der Praxis zu lernen. So auch die Gruppe Studenten und Studentinnen, die unter der Leitung ihres betagten Dekans im All unterwegs sind. In der Nähe des Sterns Alpha Cygni wird ihr Schiff, die Thukydides, durch einen offenbar höchst selten auftretenden Sternenstrudel „gesaugt“ und muss auf einem bisher unbekannten Planeten notlanden. Dort stösst man auf einen uralten Tempel, der höchst interessante Artefakte birgt, über die der Dekan mehr zu wissen scheint, als er preisgibt. Und gleichzeitig erkennen die jungen Leute, dass eine noch unbestimmte Bedrohung immer näher zu kommen scheint. Aber wie soll man mit dem arg ramponierten Schiff von dem Planeten wieder wegkommen?
Der Titel der neuen Reihe des renommierten Autors Richard Marazano, der sich ohnehin gerne in fantastische Gefilde begibt (u.a. „Die Expedition“, „Die drei Geister von Tesla“), klingt vollmundig und erzeugt eine gewisse Erwartungshaltung. Noch spannender wird es bei einem Blick auf den Zeichner. Das ist nämlich der Frankfurter Ingo Römling, der mit der Steampunk- Mystery-Serie „Malcolm Max“ (die übrigens auch gerade in Frankreich erscheint) einem breiten Comic-Publikum bekannt wurde und der hier seinen ersten franko-belgischen Treffer gelandet hat. Römling ist durch seine Arbeit an diversen Star Wars-Titeln ebenfalls bereits Science Fiction erprobt, weshalb es nicht verwundert, dass seine Zeichnungen hier nicht minder beeindrucken als bei dem viktorianischen Dämonenjäger. Das betrifft die semi-realistische Darstellung der Personen, wie auch die „Konstruktion“ des Raumschiffes und diverser Apparaturen, was die Umschlag-Innenseiten mit ihren Risszeichnungen unter Beweis stellen.
Die Damen und Herren Studenten und deren Vita lernen wir noch nicht wirklich kennen. Ihre Namen verrät das Backcover. So scheint Polly impulsiv zu sein und Mark ein Technik-Nerd. Hier werden wir sicher noch mehr erfahren. Dazu kommen zwei weitere schillernde Figuren: der strenge wie wissende Dekan, eine graue Eminenz, deren Restkörper inzwischen altersbedingt in einer Art Flüssigtank lebt und der auf eine Körperprothese zurückgreifen kann, wenn Mobilität angesagt ist. Und ein mysteriöser Passagier namens Pearl, der im Raumschiff eingesperrt in einer Zelle schmort – warum bleibt vorerst unklar – und der gewisse Kräfte zu haben scheint. Pearl, offenbar ein Außerirdischer, wird im Laufe der Geschichte eine wichtige Rolle spielen, während die des Dekans immer undurchsichtiger wird.
Die ungeplante (Bruch-) Landung auf einem unwirtlichen, unbekannten Planeten, mysteriöse Artefakte, Besatzungsmitglieder, die mehr wissen als sie preisgeben – all das erinnert natürlich an Ridley Scotts „Alien“. Nur besteht die Mannschaft hier aus jungen, ungestümen Studenten und die Optik ist mehr bunt als Horror-like. Auch die Comics von Christophe Bec (mit dem Marazano bei „Absolute Zero“ zusammenarbeitete), mit ihren gerne überdimensionalen, fremden Bauwerken unbekannter Zivilisationen, klingen hier wohlwollend an. Jedenfalls ist der Auftakt unterhaltsam und kurzweilig. Und zeigt Potential für die Fortsetzung(en). Und ja, der Titel der Reihe wird auch geklärt. Die Besatzung der Thukydides bricht nolens volens zu einer gewaltigen Mission auf, wobei der gelungene Twist am Ende der Geschichte noch eine ganz andere, größere Dimension verleiht und erst recht neugierig auf die Folgebände macht. (bw)
Die Chroniken des Universums, Band 1: Der Sternenstrudel
Text: Richard Marazano
Bilder: Ingo Römling
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-96219-592-2