The Moneyman (Knesebeck)

August 11, 2019
The Moneyman (Knesebeck)

Orlando 1971: der gealterte Roy Disney wartet in einer Hotellobby auf den großen Auftritt: die Eröffnung von Disneyworld, die sein großer Bruder nicht mehr erleben wird. Dabei kommt er ins Plaudern mit einer Dame, die fasziniert seiner Geschichte lauscht, die nochmal an seinem geistigen Auge vorüberzieht: im Chicago des Jahres 1906 bekommen Roy und Walt Disney die Ruppigkeit des Vaters zu spüren, der die Familie durch immer neue wirre Geschäftsideen quer durch die USA schleppt. Fleiß und harte Arbeit sind die Devise, und während Roy damit noch einigermaßen klarkommt und bei einer Bank seinem Faible für Zahlen frönt, scheint Walts Interesse an Cartoons und Zeichnen dem Vater als reines Hirngespinst. Aber Walt lässt sich nicht von seinen Träumen abbringen und bringt sich mühselig selbst die Grundlagen des Zeichnens bei, die er alsbald mit Hilfe einer geliehenen Kamera nachts in der elterlichen Garage in die ersten Gehversuche in Sachen Zeichentrick ummünzt.

Und tatsächlich stellen sich bald die ersten Erfolge ein: für ein paar Dollar verkauft Disney die ersten Strips. Nun sind dem Ehrgeiz keine Grenzen mehr gesetzt – Walt verfolgt wie besessen die Idee, erfolgreicher Filmemacher zu werden, und lanciert mit seinem ersten Studio Laugh-o-Gram  populäre Serien wie „Alice“. Als man schließlich nach Los Angeles umzieht, schlägt unter dem noch intakten Hollywoodland-Schriftzug die Stunde des aufstrebenden Künstlers: mit „Oscar the lucky rabbit“ platziert er – mittlerweile unter Walt Disney Studios firmierend – eine höchst erfolgreiche Cartoon-Serie, die den Grundstein für ein Imperium legt. Bruder Roy hat dabei die Finanzen im Griff, er ist der ungeliebte Erbsenzähler, der „Money Man“, der immer wieder fassungslos zuschauen muss, wie Bruder Walt sich mit Verve, aber ohne Plan in neue Projekte wirft.

Hoch verschuldet, scheint Disney mehrfach vor dem Aus und rettet sich nicht zuletzt durch eine kleine Maus, die er 1928 auf einer Bahnfahrt ersinnt (während einer Reise, auf der er erfolglos neue Kreditquellen anzapfen will), ans rettende Ufer. Als Disney schließlich verkündet, einen Cartoon in Farbe, mit Ton und Spielfilm-Länge produzieren zu wollen, drohen die Financiers, allen voran die Bank of America, zu meutern. Aber der Wagemut wird belohnt: „Snow White And The Seven Dwarves“ avanciert zum rauschenden Erfolg. So beflügelt, treibt Walt seine Crew gnadenlos voran, mit autokratischen, perfektionistischen Allüren, die selbst verdiente Mitarbeiter wie Ub Iwerks irgenndwann entfremden. Als dann die Folgeprojekte „Fantasia“ und „Pinocchio“ zu folgenschweren Flops werden, steht Disney einmal mehr mit dem Rücken zur Wand…

In seiner flott erzählten und dennoch immer detailreichen Biographie beleuchtet Alessio de Santa das Phänomen Walt Disney aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ganz bewusst wählt er dabei die Sichtweise seines weniger bekannten Bruders, der Financier im Hintergrund mindestens ebenso viel zum Erfolg beitrug wie der medienwirksam inszenierte kreative Kopf. Dabei werden alle Facetten der teilweise fast mystifizierten Vita aufgerufen: die harte, entbehrungsreiche Kindheit, in der Disney sich gegen seinen Vater durchsetzt, der dem Erfolg bis zum Schluss nicht traut; der Geschäftsmann, der die Chancen des Kinos und später des Fernsehens ebenso sicher erkennt wie die Macht des Merchandise, die er in Form von Disneyland und des noch von ihm konzipierten Disneyworld quasi mit erfindet;  der Visionär, der eine künstlerische Idee wie besessen verfolgt; aber auch der schroffe, herrische Patriarch, der keinerlei Kritik duldet und sich gerne auch mit den Gewerkschaften anlegt.

 So entsteht ein buntes Panorama, das sich chronologisch an den großen Meilensteinen entlang hangelt, die in Form von „Steamboat Bill jr.“, „Snow White“, „Fantasia“ und anderen Filmen vorbeizieht, bis hin zur anfangs belächelten Idee, irgendwelche Tiere in der Wüste zu filmen und die Szenen dann einfach kostengünstig kommentiert zusammenzuschneiden. Die Welt Hollywoods bleibt dabei weitgehend außen vor – Charlie Chaplin und seine United Artists kommen zur Sprache, aber wichtiger ist fast schon Roys ständiger Kampf mit den Geldgebern, die mehrfach drohen, die Reißleine zu ziehen. So können die beiden Statuen in Disneyworld in der Tat den Charakter der beiden Protagonisten erfassen: Walt wie er sich selbst gerne sah, mit Blick zu den Sternen, während Roy bescheiden auf eine Parkbank sitzt. Eine wunderbare, vielschichtige Hommage an einen Mann, dessen Wesen man sich wohl nur auf solch differenzierte Art und Weise nähern kann. Bei Knesebeck erscheint das Werk wie gewohnt hochwertig aufgemacht mit einem informativen Nachwort. (hb)

The Moneyman – Die Geschichte von Roy und Walt Disney
Text: Alessio de Santa, Filippo Zambello
Bilder: Lorenzo Magalotti
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Knesebeck Verlag
24 Euro

ISBN: 978-3-95728-241-5

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