James Bond 007, Band 3 (Splitter)

Juni 20, 2017

Waffenhandel, das ist ein bestenfalls schwieriges, gerne auch mal dubioses und bisweilen schmutziges Geschäft. Anfangs denkt sich 007 gar nicht viel dabei, dass man ihn nach Venezuela schickt, um dort den Hacker Saxon ausfindig zu machen. Der ist nämlich in die Systeme des Rüstungskonzerns Hunt eingedrungen – seines Zeichens Haus- und Hof-Lieferant Englands, seiner Verbündeten rund um die Welt und auch der Bastelstube des MI-6 selbst, Q. Das ist gerade etwas unpraktisch, denn Hunt hat den ebenso lukrativen wie brenzligen Auftrag eingeheimst, die doch arg in die Jahre gekommenen Trident-Atom-Sprengköpfe der Briten einzumotten und durch neue Systeme zu ersetzen. Dagegen scheint der Auftraggeber Saxons etwas zu haben: ein radikaler Antikapitalist, der sich klangvoll „Kraken“ nennt, unterwandert Rüstungsindustrie und Regierung gleichermaßen. Nach Bonds grandiosem Fehlschlag, Kraken ausfindig zu machen (Informationen bekommt er keine, dafür trifft den guten Saxon ein explosives Ende), schickt ein grummelnder M seinen Agenten nach Dubai, um bei der dortigen Waffenmesse weitere Informationen zu sammeln.

Dort lernt Bond nicht nur den Firmenpatriarch Lord Bernard Hunt, sondern auch dessen liebreizende und geschäftstüchtige Tochter Victoria kennen. Gerne führt Victoria ihm die neuesten Errungenschaften des Hauses vor, darunter auch die Langstreckenkanone Hammerhead, die über eine Distanz von 2.000 Meilen ihre Projektile ins Ziel bringt. Aber Bond hat kaum Zeit für seinen Cocktail, da schlägt Kraken erneut zu: Sir Bernard wird heimtückisch erschossen, und Victoria kommt nur dank Bonds beherztem Eingreifen (inkl. Hai-Angriff im Aquarium) mit dem Leben davon. Die Angreifer lassen sich zurückverfolgen bis in den Jemen, wohin Victoria Bond noch begleitet, bevor sie die Nachricht erhält, dass einer ihrer Hubschrauber vor einer nuklearen Wiederaufbereitungsanlage bei den äußeren Hebriden offenbar sabotiert und zum Absturz gebracht wurde – die pikante Fracht, einige Trident-Sprengköpfe, sind verschwunden. Im Jemen muss Bond feststellen, dass er tief im Feindesland überraschende Verbündete hat: der Schmuggler Karim Malfakhar, der eigentlich von Kraken beauftragt wurde, Bond zu töten, traut dem Braten nicht – auch angesichts der Atomwaffen, die er offenkundig transportieren soll, was ihm dann doch zu weit geht. Gemeinsam mit Karim setzt Bond die Puzzleteile langsam zusammen und lüftet das Geheimnis einer Verschwörung, die wahrlich monströse Ausmaße hat…

Mit Andy Diggle (u.a. Green Arrow: Das erste Jahr, Daredevil, The Loosers) konnte der Dynamite-Verlag nach dem gefeierten Warren Ellis erneut einen versierten Autor für diese Reihe verpflichten, der sich hier weidlich aus Leitmotiven eines absoluten Bond-Klassikers bedient: die gestohlenen Atomsprengköpfe, Unterwasser-Action, ein übermächtiger Bösewicht, der im Hintergrund die Fäden spinnt – das erinnert sehr wohlig an Thunderball (mitsamt dem inoffiziellen Remake „Never Say Never Again“, in dem Sean Connery in Konkurrenz zu Roger Moores „Octopussy“ 1983 ein letztes Mal eingriff und dabei Haupt- und Brusthaar-Toupet unerschrocken vorführte). Nicht neu ist ebenfalls die Charakterisierung der Titelfigur als ruchloser, brachialer Agent seiner Majestät: als der Hacker ihn um Hilfe gegen Kraken anfleht, kommentiert er nur lapidar: „Falsche Abteilung“. Aber bei allem Macho-Gehabe und Kalauern („Wer hält denn Tee für ein anständiges Getränk?“) wird Bonds Gefolgstreue schon bei der Waffenmesse in Dubai brüchig – angesichts der allgegenwärtigen Zerstörungskraft stellt er offen die Frage, was geschieht, wenn die „Freunde“, an die man diese „Sicherheit“ für gutes Geld verkauft – in erster Linie arabische Staaten -, einmal die Seiten wechseln.

1007 Stück, mehr Seiten: die limitierte Edition

Zum offenen Eklat mit seiner eigenen Historie kommt es schließlich, als Bond herausfindet, wer denn eigentlich hinter den Machenschaften steckt: keinesfalls antikapitalistisches Gutmenschentum, sondern nichts weniger als der Versuch, das britische Empire wieder auferstehen zu lassen, treibt die Figur an, die sich hinter dem Pseudonym Kraken versteckt (und mehr wird hier wirklich nicht verraten, der aufmerksame Leser kann sich die Dinge ab hier ohnehin zusammenreimen). So kämpft Bond hier letztlich gegen seine eigene Existenzberechtigung, die sich aus der Annahme speist, er habe im Auftrag der Krone eine rechtmäßige Lizenz zum Töten derjenigen, die seinen Auftraggebern nicht passen. Somit liefert Diggle eine kluge, hintersinnige Dekonstruktion des Mythos, einmal nicht in der Charakterisierung der Figur selbst, sondern in den Rahmenbedingungen, in denen sie agiert und die als anachronistisch-reaktionär enttarnt werden. Luca Casalanguida, der den Zeichenstift von Jason Masters übernimmt, präsentiert das Geschehen flott, dynamisch, in kraftvollen Bildfolgen in einem sehr nah am Superhelden-Stil angelehnten Strich. Fast schon etatmäßig ist dabei der unmittelbare Handlungsauftakt, der wie in den Bond-pre credit-Szenen erst nach einiger Zeit von den Titeln abgelöst wird.

Netter Einfall am Rande: die Hubschrauber-Piloten, die vor den äußeren Hebriden Dienst tun, philosophieren trefflich über das ortstypische Getränk: „Sagt ihnen, sie sollen den Whisky rausholen. Und dieses Mal nicht den Verschnitt, sondern das gute Zeug!“ So nah an der Whisky-Insel Islay (zugegebenermaßen eine der inneren Hebriden) kommt man an einem ordentlichen rauchigen Malt eben nicht vorbei (zur Wahl wären da zum Beispiel der Abhainn Dearg von der Isle Of Harris) – auch wenn man im nächsten Moment abgeschossen wird. Insgesamt ein schmissiges, spannendes Lesevergnügen, das die Figur Bond von den moralischen Schwarz/Weiß-Zeiten der 60er direkt hinein ins tiefe, zwielichtige Grau der Moderne hieft. Der vorliegende Band bringt die US-James Bond-Hefte Hammerhead 1-6, die von Oktober 2016 bis März 2017 erschienen, in einem gewohnt schönen Hardcover mit Covergalerie und Skizzen. Und, wie wir ja wissen, James Bond will return: im Juli 2017 erblickt in den USA das erste Heft der nächsten Diggle/Casalanguida-Koproduktion das Licht der Welt – unter dem Titel „James Bond: Killchain“ lösen sich die alten Bündnisse dann komplett auf. Bis wir in den Genuss dieses Abenteuers kommen, dürfte noch etwas Zeit ins Land ziehen. Deutsche Leser können sich einstweilen allerdings mit dem Spin-Off „Felix Leiter“ vertrösten, von dem es ab September bei Splitter zwei Sammelbände geben wird. (hb)

James Bond 007, Band 3: Hammerhead
Text: Andy Diggle
Bilder: Luca Casalanguida
144/176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro (reguläre Edition)
34,80 Euro (limitierte Edition)

ISBN: 978-3-95839-506-0 (reguläre Edition)
ISBN: 978-3-95839-507-7 (limitierte Edition)

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