Helden der Östlichen Zhou-Zeit, Band 1+2 (Chinabooks)

Mai 31, 2017

Heiss ging’s her im alten China. Genauer gesagt in den Jahren 770 bis 221 vor Christus. Damals gab es noch kein geschlossenes chinesisches Reich. Vielmehr scharten sich im Osten des heutigen China diverse kleine rivalisierende Königreiche wie auf einem Flickenteppich und hauten sich dabei regelmäßig gegenseitig den Schädel ein. Man nennt diese Ära die „Östliche Zhou-Zeit“, unterteilt in die „Frühlings- und Herbstperiode“ und die „Zeit der streitenden Reiche“. Erst danach etablierte sich die Quin-Dynastie, die das Land einte und aus der auch mit Quin Shihuangdi jener Kaiser hervorging, der neben einem gigantischen, bis heute nicht erforschen Grab, die berühmte Terrakottaarmee in Auftrag gab, die bis heute ungläubiges Staunen verursacht.

Hinter dem sperrigen Titel „Helden der Östlichen Zhou-Zeit“ verbergen sich nun Portraits diverser schillernder historischer Persönlichkeiten, die in eben jener unsteten Ära lebten und wirkten. Denn neben den immer präsenten Zwistigkeiten, kriegerischen Auseinandersetzungen, Eroberungen und Rückeroberungen, neben beinahe alltäglichen Morden an diversen Herrschern und Fürsten, gab es damals auch kluge, gelehrte Köpfe, welche auf ihrem Hals belassen wurden und die Land, Leute und letztendlich die Geschichte prägten. Einige Beispiele: Natürlich Konfuzius, dem hier selbstredend ein Kapitel gewidmet ist. Wir verfolgen dessen Wirken, seinen schlauen Umgang in hohen Ämtern unter diversen Fürsten als weiser Ratgeber. Oder das Kriegsgenie General Sunzi, der auch ein (bis heute überliefertes) Buch über die Kriegskunst schreibt und der seinem König hier drastisch vermittelt, wie man eine Armee führt. Dann sind da Pang Juan und Sun Bin, ein Enkel Sunzis. Enge Freunde, die von einem Gelehrten unterrichtet wurden, nun hohe Ämter anstreben und schließlich aufs Übelste gegeneinander intrigieren. Auch Frauen werden bedacht: Xi Shi, die als Inbegriff weiblicher Schönheit gilt, die ihren Fürsten umgarnt und am Ende den höchsten aller Preise zahlt.

Verantwortlich für diese episodischen Vignetten ist der Zeichner und Autor Chen Uen, der es – laut Klappentext – als einziger Taiwanese geschafft hat, sich auf dem japanischen Manga-Markt zu etablieren. Chen Uen wurde 1958 geboren und starb im März diesen Jahres völlig überraschend an einem Herzinfarkt, gerade als die beiden Titel hier von Chinabooks im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich um eine Trilogie – der dritte Band („Der Kranichkönig“) ist in Vorbereitung – die original zwischen 1991 und 1994 entstand. Seine Portraits hier ranken sich um historische Persönlichkeiten jener Zeit. Ob und in wie fern sie verbürgt sind, bleibt der Fantasie der damaligen Schreiber, die für die Überlieferung sorgten, und des Lesers von heute überlassen. Allen ist ein dokumentarischer Charakter zu eigen und ein Aufbau, der mitunter unsere europäischen Lesegewohnheiten torpediert: Chen Uen schildert sachlich, kommt schnell zum Kern, ohne große Einleitung oder Höhepunkt und beendet dann auch gerne viele seiner Episoden abrupt.

Seine Zeichnungen sind bemerkenswert: sie haben nichts mit dem gängigen Manga-Stil gemein. Die Gesichter und einzelne Details wie Ornamente, Kleider oder Gebäude sind meist detailgenau und realistisch – wenn auch sichtlich idealisiert – ausgeformt und herausgearbeitet. Dann, im gleichen Panel, konterkariert ein gewagter, unbestimmter, breiter und flüchtiger Pinselstrich die Szenerie, beispielsweise, wenn Gewänder wallen oder Pferde davonreiten. Sehr stylish. Auch die wenigen Farbseiten beeindrucken ob ihrer Opulenz und ihres Realismus‘. Künstlerisch wertvoll, möchte man sagen. Ungewöhnlich – schon wegen der Zweisprachigkeit (Deutsch und Chinesisch in einem Band, was für die meisten Leser bestenfalls als Dreingabe zu betrachten ist – aber bei „Meine 80er Jahre“ von Sean Chuang war das ja ebenso), der Erzählweise und der uns fremden, exotischen, uralten Kultur. Und damit bieten die Bände eine gute Gelegenheit, einen geeigneten wie passenden Moment, einmal über den Tellerrand des gängigen und hier ansässigen Comic-Marktes hinausschauen zu können. Jüngst wagte sich der Verlag erstmals auf das deutsche Messeparkett und präsentierte beim Comicfestival in München nicht nur einen eigenen Stand, sondern gleich mit Sean Chuang einen Zeichner, der in seiner Heimat Taiwan ein gewaltiges Renommee besitzt. Auch von Chen Uen warten noch etliche Werke auf ihre Deutsche Veröffentlichung. Vielleicht kommt da ja noch was. (bw)

Helden der östlichen Zhou-Zeit, Band 1: Wege zum Ruhm
Helden der östlichen Zhou-Zeit, Band 2: Wiedersehen in der Unterwelt
Text & Bilder: Chen Uen
je 500 Seiten in Farbe & Schwarz-Weiß, Softcover
Chinabooks
je 28 Euro

ISBN: 978-3-905816-66-2 (Band 1)
ISBN: 978-3-905816-67-9 (Band 2)

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