Winter 1709, Band 1 (Splitter)

Juli 26, 2016

Winter 1709, Band 1 (splitter)

Spanischer Erbfolgekrieg! Der französische König Ludwig IV. hat den taktischen Fehler begangen, seinem Herrschaftskollegen Karl dem II. einen letzten Wunsch zu erfüllen. Der wollte nämlich Ludwigs Enkel Philipp von Anjou (muss auch damals schwierig gewesen sein, nur mit einem Schuh) auf dem Thron Spaniens sehen. Gesagt, getan, was allerdings eine ganze Phalanx gegen Frankreich aufbringt: Britannien, die Niederlande und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation entfachen einen Krieg gegen Frankreich und Spanien, um Philipp wieder vom Thron zu stoßen. Die Franzosen stecken massive Niederlagen ein, man verliert in Flandern, Lille wird von den feindlichen Truppen eingenommen, und Ludwigs Staatskasse leert sich zunehmend. Und dann schlägt auch noch die Naturgewalt in Form eines Jahrhundert-Winters zu, der am Dreikönigstag 1709 Frankreich in seinen eisigen Griff nimmt. Demoralisiert, geschlagen und mit zunehmend maroder Ausrüstung, sieht sich die Grande Nation einem existentiellen Problem gegenüber: der vereiste Boden wird keine Ernte tragen, und somit avanciert Nahrung zum kostbarsten Gut.

Da gleicht es einer göttlichen Fügung, dass der Abenteurer Loys Rohan von zwei Schiffsladungen Weizen erfährt, die ein Freibeuter mit dem vertrauenserweckenden Namen Teguise der Salentiner in seine Gewalt gebracht hat und an den Meistbietenden verkaufen möchte. Rohan unterbreitet den Ministern des Königs den Vorschlag, sich diesen Schatz nicht entgehen zu lassen, und wird in der Tat mit dem Kauf beauftragt. Sein Kompagnon Guillaume soll in Nantes eine Nachricht des Freibeuters erhalten und diese dann an Rohan übergeben, der seinerseits binnen vier Tagen den Handel unter Dach und Fach bringen muss – ansonsten kommen die nächsten Interessenten zum Zuge. Auf dem Papier scheint das ja alles ein guter Plan, der aber alles andere als aufgeht. Guillaume wird im Wald von einem marodierenden Mönch überfallen, der ihm in einem Anfall von Kannibalismus das Bein abhackt, um es zu verspeisen, bevor er sich mit Guillaumes Pferd – und in der Satteltasche allen Dokumenten, die für den Weizenhandel gedacht sind – über alle Berge macht.

Xaviers wunderbare Winter Welt

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Rohan erfährt von dieser Greueltat und setzt sich auf die Spur des Angreifers, der im finstren verschneiten Tann seinerseits mit einem Trupp marodierender Wilderer Bekanntschaft macht, denen das allerdings nicht gut bekommt: wie ein Tier fällt der angebliche Franziskaner über sie her. Als Rohan die Spuren des Kampfes inspiziert, machen sich die ruppigen Herrschaften auch an ihn heran – ebenso erfolglos. Dem weiter ziehenden Mönch tritt alsbald eine tatkräftige Holde entgegen, die in der Gegend offenbar das Sagen hat. Sie nimmt dem Franziskaner sein Pferd ab und schickt ihn mit Sack und Pack (und Satteltaschen) in Richtung einer nahegelegenen Abtei. Rohan indessen kämpft sich weiter durch die eisige Landschaft und trifft auf seiner Suche nach einem Quartier für die Nacht auf eine Festung, wohin auch Bauern und andere Leibeigene vor der Kälte geflohen sind. Als Herrin des Ortes stellt sich ihm Oriane, Gräfin von Cherboise, vor (wir kennen die Dame schon aus dem Zwischenfall im Walde), der Rohan seine Geschichte enthüllt. Aber längst ist er nicht mehr der einzige, der hinter dem mysteriösen Franziskaner-Mönch und den brisanten Papieren her ist, die die entscheidende Wendung im zerstörerischen Krieg bringen könnten…

Jenseits aller verzwickten Komplexität, die etwa ein Nicolas Jarry in seinen Historien-Epen wie „Durandal“ an den Tag legt, nutzt Nathalie Sergeef (wohltuend, auch einmal eine Dame als Kreativkopf begrüßen zu dürfen!) den Spanischen Erbfolgekrieg nur als weit entfernte Hintergrund-Landschaft, die eine Extremsituation bietet, die die Handlung in Gang setzt. Rohans abenteuerliche Jagd, Überfälle im Wald, Geschäfte mit Outlaws, das alles könnte ebenso gut in einem Piratenseemannsgarn oder auch im Wilden Westen ablaufen, so archetypisch sind die Elemente, die hier verarbeitet werden. Die Story schreitet schnell voran, ohne übergroße Verwicklungen, dafür aber mit umso mehr bedrohlichen Situationen und rabiaten Auseinandersetzungen, die in bester Mantel und Degen-Manier stehen und auch ein Spionage-Element mit hineinbringen. Wie schon in „Conquistador“ oder „Kreuzzug“ (beide ebenfalls bei Splitter) kann sich Historien-Experte Philippe Xavier weidlich an den Landschaftsdarstellungen laben, die durch die atmosphärische Farbgebung bestechen und teilweise wirken, als ob John Wayne auf der Suche nach dem Schwarzen Falken von Moebius inszeniert gleich auf Blueberry trifft. Und das alles in Schnee und Eis. Spannend, actionreich und künstlerisch mehr als nur gelungen. Band 2, der die Geschichte abschließt, ist in Vorbereitung. (hb)

Winter 1709, Band 1
Text: Nathalie Sergeef, Philippe Xavier
Bilder: Philippe Xavier
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-330-1

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