Claire DeWitt, Band 1 (Splitter)

Juni 14, 2016

Claire DeWitt, Band 1 (Splitter)

Kopfgeldjägerei, das ist ja ohnehin schon ein waghalsiges Geschäft – aber was die forsche Claire DeWitt erleben muss, das geht dann doch über die normalen Businessrisiken hinaus. Sie ist ihrer Zielperson, einem Halunken namens Jonah Falk, hart auf den Fersen, aber ihr Kumpan, der junge Deutsche Gerd, wird bei einem Zusammentreffen angeschossen, so dass Jonah und sein Spießgeselle Rex Underwood erst einmal entwischen. Auf einer einsamen Ranch genießen die beiden Outlaws die Gastfreundschaft einer mysteriösen Hübschen, die Jonah verdammt an seine Verfolgerin Claire erinnert. Der aufgetischte Eintopf schmeckt mehr als absonderlich, und schnell erfahren wir, dass hier keineswegs alles mit rechten Dingen zugeht: die fiese Schönheit kredenzt Menschenfleisch. Genau. Denn sie ist niemand anders als die monströse Erscheinung, die seit dem Ende des Bürgerkriegs die Wälder durchstreift und als tödliche Sirene Mann und Maus in ihren Bann zieht und gnadenlos abschlachtet.

Rex muss flugs dran glauben, während Jonah nur knapp entrinnt. Claire, die mit dem immer noch angeschlagenen Gerd weiterzieht, findet den komplett ausgeweideten Rex vor, ohne sich einen rechten Reim machen zu können. Als sie die Spur von Jonah weiter verfolgen, lauert ihnen ein entstellter und wirr sprechender Prediger auf, der behauptet, Claire habe ihn vor Jahren überfallen, sich in ein Monster verwandelt und so zugerichtet. Als Claire in dem kleinen Nest Shulcove Station macht, kommt Licht ins Dunkel: urplötzlich sieht sie sich ihrer tot geglaubten Zwillingsschwester Lilianne gegenüber, die ihr offenbart, dass niemand anders als sie das Viech ist, das Angst und Schrecken verbreitet. Man solle sich gefälligst aus Shulcove fernhalten, denn die Stadt gehöre den Toten, so die Nachricht. Und damit nicht genug: auch der Vater der beiden sei noch am Leben – weshalb für Claire klar ist, dass sie dieser unheimlichen Sachen dringend auf den Grund gehen muss…

Western und Horror, das geht, das haben uns jüngst erst die schreckenerregenden Ereignisse in „Manifest Destiny“ bildhaft vor Augen geführt. Lieferte Willem Ritstier in seiner fulminanten Reihe „Ronson Inc.“ eine wunderbar trashige Version des Italo-Westerns, gekreuzt mit den Serials der 30er Jahre, dreht er mit den unglaublichen Abenteuern der Frau DeWitt noch einen Zacken mehr auf. Nach eigenem Bekunden stand am Anfang nur die Grundidee, einen Western mit Horrorelementen zu kreuzen – und dabei natürlich wieder eine zentrale, starke Frauengestalt in den Mittelpunkt zu stellen. Was bei Firma Ronson die schlagkräftige Diane war, ist hier Claire: eine abgebrühte Inkarnation von Girl Power. Wobei die Motivationen durchaus anders gelagert sind: Claire wird verfolgt von einer düsteren Vergangenheit, ihre Hetzjagd auf Jonah ist augenscheinlich deutlich mehr als nur eine Hatz nach dem Kopfgeld, sondern eine höchst persönlich motivierte Vendetta, über deren Hintergründe wir zunächst nur rätseln können. Die böse Zwillingsschwester Lilianne bringt dann das Gruselelement hinein – offenbar der finsteren Seite anheimgefallen, regiert sie als düstere Hexe und symbolisiert damit den ungezähmten, verruchten Teil von Claires Charakter.

In der Gestaltung bleibt Fred de Heij damit nahe an der Blueberry-Blaupause: die kantigen, dreckigen Männer scheinen direkt aus Sergio Leones Cinecitta entwichen, während die beeindruckenden Naturpanoramen einem John Ford zur Ehre gereichen würden. Und dazu gesellt sich eine durchaus erotische Komponente, die nicht zuletzt in der umfangreichen Skizzengalerie zum Tragen kommt, die beigefügt ist: vor allem Lilianne macht ihrer Namenspatin Lilith alle Ehre, zieht Männer gerne mal barbusig-lasziv in ihren Bann und zeigt, dass nicht nur die dralle Diane aus „Ronson Inc.“ ihre Reize zu ihren ureigenen Zwecken einzusetzen versteht. Mit teilweise heftigen Szenen und forscher Handlungsführung liefert der Band somit eine auch optisch reizvolle, genüsslich in der Grundidee badende Pulp-Version eines Horror-Westerns, was wir natürlich mehr als wohlwollend vermerken (was wir übrigens auch mit dem Original-Titel tun: „Tot in de Dood“. Sehr tot, gewissermaßen). Band 2, „An der Pforte zur Hölle“, ist in Vorbereitung. (hb)

Claire DeWitt, Band 1: Bis dass der Tod uns scheidet
Text: Willem Ritstier
Bilder: Fred de Heij
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-327-1

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