Secret, Band 1 (Carlsen)

Dezember 15, 2015

Secret, Band 1 (Carlsen)

Geheimnisse. Die ranken sich in der Tat um einen Busunfall, der die eigentlich so fröhliche Klassenfahrt der 2-D zum Alptraum gemacht hat. Nur wenige Schüler können sich retten, als der vollbesetzte Bus ins Schlingern kommt, auf eine Absperrung prallt, umkippt und Feuer fängt. Die Überlebenden sind geplagt von Trauma, Schuldgefühlen und nicht verarbeiteter Trauer, weshalb ihnen der Schulpsychologe Herr Mitomo an die Seite gegeben wird. Der versieht seine Aufgabe auch durchaus passabel, bis er kurz vor dem Ende seiner Betreuungsphase mit einer schockierenden These herausplatzt: unter den Schülern, die an der schicksalhaften Fahrt teilgenommen hätten, seien drei Mörder. Wie die sprichwörtliche Bombe schlägt diese Aussage ein und löst eine verheerende Kettenreaktion aus. Der Schüler Ozu will nämlich in der Tat eine mysteriöse Figur nach dem Unfall gesehen haben, der regungslos im Wrack stand, anstelle helfend einzugreifen. Ozu findet man alsbald schwer verletzt, an der Wand steht das dräuende Menetekel „ich weiß was du getan hast“ zu lesen.

Der Verdacht fällt sogleich auf Sanada, der Ozu vor dem Überfall zuletzt gesehen hatte. Aber plötzlich kommen von Ozus Handy Drohungen – man solle Herrn Mimoto, den Verräter, tunlichst töten, um „das Geheimnis“ zu wahren. Der Empfänger (der dem Leser nicht erkennbar wird) schleicht sich des Nachts in die Schule, setzt sich eine Hasenmaske auf (ja, die Hockey-Teile oder Scream-Kostüme waren grade aus) und geht auf eine Figur los, die er für den Psychologen hält. Der allerdings entpuppt sich als der Schüler Sanada, der sich vehement zu wehren versteht und den Angreifer demaskiert. Niemand anders als Shima verbirgt sich unter der Maske, ebenfalls ein Überlebender, der dem entsetzten Sanada berichtet, was im Bus geschah: nachdem der Schürzenjäger Ryo sich an Tono herangemacht hatte, die es eigentlich Shima angetan hatte, beging dieser nach dem Unfall in der Tat eine Affekttat, die ihn verfolgt – die aber noch längst nicht alle Rätsel der unglückseligen Fahrt löst…

In der neuen Serie Secrets präsentiert Yoshiki Tonogai (bei Carlsen auch zu haben: ‚Doubt‘, Band 1-4 sowie ‚Judge‘, Band 1-6) eine schmissige, spannend erzählte Variante der „Ich weiß (noch immer) was Du letzten Sommer getan hast (haben willst)“-Teenie-Horror-Welle, die vor allem Mitte der 2000er die Kinosäle überschwemmte. Fernab von jeder Mystik, Sci-Fi oder Fantasy-angehauchten Manga-Action liefert ‚Secrets‘ allerdings eine straight erzählte – wie der Name schon sagt – Mystery-Story, die überzeugend motiviert mit einer sofort fesselnden Handlung aufwartet, der man auch als nicht-Cosplay-Fanatiker bestens folgen kann. Jenseits von Sensationslust fokussiert sich Tonogai auf das Trauma der Überlebenden, die ihr Glück nicht immer als solches zu begreifen vermögen und deren Schuldgefühle sich in dem konkreten Vorwurf kristallisieren, in ihren Reihen befänden sich die direkten Verursacher der Katastrophe. So wird die oft zu beobachtende psychologische Mechanik eines schweren Schicksalsschlages – die Frage nach dem Warum, die nicht selten in der irrigen Annahme der eigenen Schuld erträglich gemacht wird – externalisiert und zur Triebfeder einer faszinierenden Geschichte. Band 2 erscheint im Frühjahr. (hb)

Secret, Band 1
Text & Bilder: Yoshiki Tonogai
226 Seiten in schwarz-weiß, Softcover, Taschenbuch
Carlsen Verlag
7,95 Euro

ISBN: 978-3-551-73962-9

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