Lena und die drei Frauen (Salleck)

Dezember 10, 2015

Lena und die drei Frauen (Salleck)

Nach ihren dramatischen Erlebnissen (siehe ‚Lenas Reise‘) hat Lena in Australien so etwas wie Frieden gefunden. Sie lebt bei Rob und dessen Sohn Danny. Trotzdem wird sie vom französischen Geheimdienst aufgespürt und kontaktiert, der ihr ein Angebot macht, das sie weder ablehnen kann, noch darf: eine islamistische Terrorgruppe plant ein Attentat (in Paris, wie sich herausstellt!) und Lena soll die Gruppe infiltrieren, deren Absichten und Ziele herausfinden und so helfen, den Anschlag zu vereiteln. Dazu wird sie in Sydney ausgiebig gebrieft, lernt anhand von Fotos die mutmaßlichen Beteiligten kennen und erhält eine neue Vita, die sie als atheistische Terroristin ausweist. Nach einer ersten Kontaktaufnahme reist sie mit ihren neuen Begleitern um Scheich Najib irgendwo ins namenlose arabische Bergland. Dort treffen drei Frauen ein. Drei Selbstmordattentäterinnen. Nach dem Terrortraining geht es nach Paris. Hier soll Lena sie im westlichen Lebensstil instruieren und ihnen westliche Regeln beibringen. Schließlich nähert sich der Tag des Anschlags. Aber es läuft nicht planmäßig. Eine der Frauen begeht einen Fehler. Und kann Lena ihre Kontaktleute im Geheimdienst rechtzeitig informieren?

Carlsen brachte den ersten Band (Lenas Reise) 2007 heraus. ‚Lena und die drei Frauen‘ erschien bei Dargaud in Frankreich bereits 2009. Jetzt verlegt Eckart Schott, bei dessen Salleck Publications bereits diverse Einzelbände Juillards erschienen (Das blaue Tagebuch) auf Deutsch. Autor Pierre Christin ist gleichermaßen berühmt für seine Science-Fiction Serie ‚Valerian und Veronique‘ (dt. bei Carlsen), als auch für seine pessimistischen Polit-Thriller, die Enki Bilal für ihn in Szene setzte (Der Schlaf der Vernunft, Treibjagd). Mit den Lena-Alben knüpft er eben daran an. Ruhig und unprätentiös treibt er die Geschichte voran. Lena, mit all ihrer Agenten-Erfahrung, bleibt stets der Lage gewachsen und berichtet in einem inneren Monolog dem Leser ihre Gefühle und kommentiert die Handlung, was den dokumentarischen Charakter unterstreicht. Christin will keinen reißerischen Thriller, sondern nähert sich dem heiklen Thema behutsam aber bestimmt. Diese Erzählweise wird bis zum Schluss konsequent durchgehalten, weshalb auch das Finale vergleichsweise unaufgeregt und passenderweise unspektakulär daher kommt.

Gezeichnet wurde der Band wieder von André Juillard, der mit ‚Die sieben Leben des Falken‘ berühmt wurde. Seine Zeichnungen sind wie immer herrlich klar und bestimmt, die sommerliche Schwüle wird auch mit seiner perfekten, nicht zu bunten Farbgebung eingefangen, die nicht selten beinahe realistische Schattenspiele auf die Panels zaubert. Juillard gehört zweifelsohne zu den ganz großen Comiczeichnern. Und sein Stil ist sicher und sehr vielfältig, wie auch seine Zeichnungen bei ‚Blake und Mortimer‘ beweisen, wo er den von Edgar P. Jacobs perfektionierten Ligne Claire Strich perfekt fortführt (zu Juillards neuem ‚Blake und Mortimer‘ Band hier in Kürze mehr).

Mit Paris als Anschlagsziel erhält der Band eine zusätzliche, beinahe seherische Aktualität und Brisanz und wird von der Wirklichkeit eingeholt. Als 2009 das Album entstand, gab es den IS mit seiner organisierten Brutalität und Menschenverachtung noch nicht und die hier gezeigte, sorgfältig vorbereitende Geheimdienstarbeit wäre aus heutiger Sicht angesichts der gesichtslosen, radikalisierten Attentäter reines Wunschdenken. Die Frauen, die den Anschlag begehen sollen, sind nicht radikalisiert (bis auf eine, die sich als Terroristin versteht), sondern wurden von ihren Familien für die diffuse Sache ‚abgestellt‘, also geopfert. Sie sind Gefangene der Auslegung ihrer Religion. Aber auch hier in dem Band ist es erschreckend und verstörend, wie die vermeintlichen Attentäterinnen indoktriniert und wie der Islam interpretiert wird (in authentischen Worten, wie die Macher extra betonen) und die Taten bereits vorab gerechtfertigt werden: Kinder und Unschuldige zu töten sei in Ordnung, so es der Sache und des Erfolgs des Vorhabens diene. Die wahren Hintermänner werden nicht enttarnt, obwohl Christin subtile Andeutungen macht: so unterhalten die Terroristen ein internationales Netz und der Jet, der die Gruppe um Lena und Scheich Najib nach Paris fliegt, stammt aus Saudi Arabien und gehört einem saudischen Prinzen…

Am Ende des Bandes siegen noch einmal das Gute und die westlichen Werte. In der bitteren Realität wurden die Anschläge in Paris aber leider Wirklichkeit. (bw)

Lena und die drei Frauen
Text: Pierre Christin
Bilder: André Juillard
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Salleck Publications
Eckart Schott Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-89908-550-1

 

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