Nomaden (Erko)

Dezember 9, 2015

Nomaden (Erko)

Acht Geschichten, acht Schicksale. In kurzen Schlaglichtern schildert Xosé Tomás auf der Basis von eindringlichen persönlichen Erzählungen, was es bedeutet, alles zurückzulassen und ins Ungewisse aufzubrechen. Denn die titelgebenden Nomaden sind hier keineswegs umherwandernde Stämme, sondern Menschen, die ihre Heimat aus verschiedenen Gründen aufgeben, um ein besseres Leben zu suchen. Das können die Flüchtlinge sein, die sich auf den gefahrvollen Weg über das Mittelmeer machen, um das vermeintlich goldene Europa zu erreichen und dabei nicht selten ihr Leben lassen („Fatima“), junge Mädchen, die sich verkaufen, um ein wenig Geld nach Hause schicken zu können („Sasha“), vollkommen rechtlose, illegale Arbeitskräfte, die nur scheinbar ein auskömmliches Leben fristen („Maria“), aber auch erfolgreich angekommene Einwanderer, die trotz ihres Beitrags zur Gesellschaft unter Vorurteilen zu leiden haben („Mercedes“, eine Ärztin, die ironischerweise einen fremdenfeindlichen Patienten rettet). Dankenswerterweise setzt Tomás mit der abschließenden Geschichte „Nawal“ einen versöhnlichen Schlusspunkt, als das Kind von Fatima aus dem ersten Kapitel in der neuen Heimat wohlwollend aufgenommen wird.

Wie in einem Episodenfilm nähert sich ‚Nomaden‘ einem komplexen Thema aus gleich mehreren Blickwinkeln, die die zutiefst kontroverse und emotionale Frage von Flucht und Zuwanderung auf eine persönliche Ebene zieht. In den jeweils atmosphärisch viragierten, aquarellhaften Zeichnungen, die an den Stil von Miguelanxo Prado erinnern, entfalten sich in kleinen Vignetten Einzelschicksale, die allesamt von Furcht, Hoffnung, Enttäuschung und Desillusionierung handeln. Dabei operiert Tomás glücklicherweise nicht mit gängigen Stereotypen, sondern liefert sowohl auf Seiten der Fliehenden als auch der Aufnehmenden eine breite Palette von Motivationen und Charakteren. Durchgängig ist dabei das Motiv der drohenden Entmenschlichung und der zerplatzten Träume von einer besseren Zukunft, die am Ende durch die zutiefst humane Geschichte um Narwal doch noch in einem positiven Ausblick mündet und sich nicht in einer düsteren Perspektivlosigkeit verliert. Basierend auf persönlichen Gesprächen gelingt Tomás so ein anrührender, persönlicher Blick auf ein brennendes Thema, zu dem eine wirklich ausgewogene Diskussion, die alle Belange berücksichtigt, jenseits erhitzter Talkrunden eher selten stattfindet. (hb)

Nomaden
Text & Bilder: Xosé Tomás
80 Seiten in Farbe, Hardcover
Erko Verlag
14,95 Euro

ISBN: 978-90-89820-99-0

 

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