Neue Geschichten von Vater und Sohn (Panini)

November 17, 2015

Neue Geschichten von Vater und Sohn (Panini)

Gesegnet ist die deutsche Kulturhistorie zwar nicht gerade mit Klassikern der Bildgeschichten – ganz im Gegenteil zur franko-belgischen Welt muss man sich in Deutschland mit Wilhelm Busch und Freunden fast schon begnügen. Aber nur fast, denn von 1934-1937 lieferte Erich Ohser unter dem Alias e.o.plauen (zusammengesetzt aus seinen Initialen und seinem Geburtsort) mit seinen Geschichten um Vater und Sohn eine zeitlose, liebenswerte, tiefsinnige und ergreifende Darstellung menschlichen Zusammenlebens, verpackt in kleine, lustige Historien, die getreu der Herkunft Ohsers aus der Welt der Illustration und Karikatur ohne Worte auskam. Als die Machthaber den enormen Erfolg der Serie für sich vereinnahmen wollten, zog Ohser (der aufgrund seiner Tätigkeit für den linksliberalen Vorwärts und der Zusammenarbeit mit Erich Kästner ohnehin schon nur unter Pseudonym veröffentlichen durfte) die Konsequenz und beendete die Reihe (und setzte seinem Leben bald danach ebenfalls ein Ende, bevor er zu einem Schauprozess vor den Reichsgerichtshof gezerrt werden sollte).

Generationen von Lesern erfreuten sich seitdem an den kleinen Vignetten, und so sind die Fußstapfen, in die Marc Lizano (der mit ‚Das versteckte Kind‘ für Aufsehen sorgte) und Ulf K. mit ihrer Fortsetzung treten, nicht unbedingt klein. In behutsamer Annäherung und Aneignung gelingt es dem Duo jedoch in bewundernswerter Weise, den Geist des Originals gleichzeitig zu erhalten und an die Gegenwart anzunähern. Den Ausgangspunkt bildet dabei die letzte Geschichte von Plauen, der sich im Dezember 1937 mit den Worten „Liebe Freunde, auf Wiedersehen! Euer Vater und Sohn“ von den Lesern verabschiedete und seine beiden Protagonisten wie in einem griechischen Drama in den Himmel aufnehmen ließ – den Vater als Mond, den Sohn als Stern. Im ersten Cartoon des Neuanfangs steigen die beiden wieder herunter und erleben die Welt erneut aus ihrem ganz eigenen, persönlichen und allzumenschlichen Blickwinkel.

Im Verlauf eines Jahres fahren die beiden Schlitten, vergnügen sich im Park und genießen den Sommer ganz wie früher – aber der Vater muss sich auch mit modernen Errungenschaften wie Computer, Blu Ray Player und Spielekonsole befassen. Dabei durchzieht als großes Thema die grenzenlose Zuneigung der beiden zueinander die kleinen Geschichten: da schimpft der Vater so lange, bis der Sohnemann buchstäblich im Boden versinkt, nur um festzustellen, dass ihm ohne den Sprößling doch so einiges fehlen würde, und der Sohn fabriziert gleich verschiedene Arrangements, in denen der Vater mit seinem charakteristischen Schnauzer zu erkennen ist.

Anrührend sind vor allem die Momente, in denen Lizano und Ulf K. auf die Figur eingehen, die in der Vorlage durchgängig abwesend ist: wir erfahren, dass die Mutter verstorben ist, aber in den Talenten des Sohnes weiterlebt. All das inszenieren Lizano und K. ein wenig weicher als das kantige schwarz-weiß-Original, in roter Viragierung variiert, aber immer nah am Duktus Plauens gehalten, teilweise in Verweisen auf die Comic-Historie: in einer Szene mit einer Wasserschlacht taucht der Vater in dem haiförmigen U-Boot auf, dass wir alle gerne als Verneigung vor Tintin erkennen. Und auch beim wichtigsten Stilmittel bleibt die Fortsetzung der Vorlage treu: auch die neuen Geschichten von Vater und Sohne wirken tief, gerade weil sie ohne ein einziges Wort auskommen. Die schöne Ausgabe bei Panini kommt im handlichen Hardcover mit einer kleinen Skizzengalerie und ist Groß, Klein, Alt und Jung wärmstens zu empfehlen. (hb)

Neue Geschichten von Vater und Sohn
Text: Marc Lizano
Bilder: Ulf K.
72 Seiten in schwarz-weiß-rot, Hardcover
Panini Comics
14,99 Euro

ISBN: 978-3-83323-176-6

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