Nonplayer, Band 1 (Splitter)

Oktober 21, 2015

Nonplayer, Band 1 (Splitter)

Jarvath. Hier herrscht der hünenhafte König Heremoth mit seiner lieblichen, anmutigen Gattin Fendra. Man reist auf hausgroßen Fantasy-Tieren und wird stets von einer Armee Soldaten beschützt. Hilft nix. Denn die mächtige Kriegerin Dana hat es auf das Königspaar als Trophäen abgesehen. Deren Attacke verläuft anfangs auch viel versprechend, bis Fendra kurz vor dem Gnadenstoß einfach verschwindet und Dana den tödlich ausgehenden Kürzeren zieht. Cut. Nix war’s mit den XP und den Credits. Keine Ahnung, wie es mit dem re-spawn aussieht. Und die NPC’s waren echt wieder heftig. Hallo, schnöde Realität. Denn Jarvath ist die virtuelle Welt des Fantasy-Games Warriors of Jarvath. Und Dana, die im echten Leben – das irgendwann in einer hoch technisierten, wie tristen Zukunft stattfindet – mexikanisches Fastfood ausfährt, ist darin inzwischen eine versierte Elite-Kämpferin/Spielerin.

Wieder Szenenwechsel, dieses mal bleiben wir in unserer Realität. Während Jeph Homer, der Geschäftsführer der Firma, die Warriors of Jarvath programmiert und betreibt, für ein Spielemagazin interviewt wird, geschieht in einer Markthalle seltsames: ein Roboter ist vermutlich von einer Datei oder einem Charakter aus der virtuellen Welt gekapert worden, hat eine Geisel genommen und läuft langsam aber sicher Amok. Ein Fall für das NAIB (National Artificial Intelligence Bureau), dessen Einheiten den Roboter schließlich unter großen Anstrengungen deaktivieren können. Bald keimt bei der NAIB ein Verdacht: könnte eine zweite ‚Datei’ aus dem ’Scape, wie man die virtuelle Welt nennt, entkommen sein? Aber nicht nur hier, auch im virtuellen Jarvath brodelt es, denn König Heremoth will seine Königin zurück…

Weia, ist das gut. Simpson treibt das Spiel der Realitäten – echt & virtuell –, das wir ja beispielsweise aus den Tron-Filmen kennen, auf die Spitze, indem er das Geschehen beidseitig komplett vermischt. Menschen gehen als Spieler virtuell auf die Jagd (soweit, so normal), während in der Realität virtuelle Eindringlinge gnadenlos verfolgt werden. Denn der Einstieg in die echte Welt ist streng verboten, ebenso wie die Schaffung ‚echter’ NPC’s, also nicht spielbaren Charakteren (oder Nonplayers) im ’Scape. Trotzdem gibt es Schnittstellen und Verbindungen, die die virtuelle Fantasy-Welt mit der realen Science-Fiction-Welt – hier Meatspace genannt – verbinden. Auf Jarvath faselt ein Seher für die dortigen Bewohner unverständliche Dinge über die Nutzung bestimmter Accounts, während ‚auf der anderen Seite’ stinknormale Roboter in lateinischen Bibelzitaten irrwitzige Forderungen stellen und Fische als tödliche Wurfwaffen benutzen.

Klarheit und Eleganz: Dana in Jarvath

Klarheit und Eleganz: Dana in Jarvath

Klingt nach originell? Ist es, keine Bange. Nicht nur das Motiv an sich, die Verknüpfung zwischen ’Scape und Meatspace und zwischen Fantasy- und SF-Genre, sondern auch deren Ausführung, die mit zahlreichen Gimmicks angereichert ist, ist klasse: einmal natürlich die kuriose Situation mit dem Roboter, dann gibt es den Earhook, eine Art Sonde oder Kopfhörer, der an der Schläfe angebracht wird, quasi als futuristische Fritz-Box, wodurch man – auch ohne auf Jarvath zu sein – die Realität anders aussehen lassen kann. So genannte Skins legen sich über Wirklichkeit, Eskapismus ist Trumpf, sogar in der echten Welt will man dem Alltag entfliehen, den eine noch nicht näher benannte Katastrophe noch trister hat werden lassen. Beindruckend wird dies mit einer Doppelseite Illustriert – links die schnöde Welt, rechts der Skin nach Wahl (für Dana natürlich ein Jarvath-Skin).

Der Amerikaner (ein Ami! – Das Teil sieht so dermaßen franko-belgisch aus!) Nate Simpson hat sich mit seiner ersten Serie ‚Nonplayer’, die bei Image Comics erscheint, gleich ein Unding erlaubt, was in der US-Szene einem Todesstoß gleichkommt: zwischen Heft 1 und Heft 2 lagen vier ganze Jahre! Was 2011 begann, wird erst in diesem Jahr fortgeführt. Ein Grund: Simpson arbeitet auch als Spiele-Designer – was die Thematik und die Fantasie erklärt. Dass man trotzdem an ihm festhielt, spricht für sich und für sein Werk. Seine Zeichnungen sind dann auch vom europäischen Comic geprägt (wer genau hinschaut, findet Tim & Struppi): messerscharf wie elegant in der Ausführung, ein bestimmter, genauer, klarer Strich, an dem alles stimmt. Verspielt und detailliert, gewaltig wie gleichsam anmutig. Ganz- oder doppelseitige Illustrationen laden zum Verweilen ein, während Actionsequenzen perspektivisch rasant, fast filmisch in schiefen Panels präsentiert werden. Der Mann hat’s ganz einfach drauf. Wenn er es nur schaffen würde, die Zeit zur nächsten Ausgabe ein klein wenig zu verkürzen… Splitter veröffentlicht nun die beiden ersten Hefte als großformatiges, wie immer bestens aufgemachtes HC-Album, das Handlung und Zeichnungen dadurch noch ein Stück veredelt und gelungen aufwertet.

Ach ja, der Roboter, der Fische in einer Markthalle wirft. Ein wunderbarer Insider-Gag. Simpson lebt in Seattle und jeder, der dort den belebten wie beliebten Pike Place Market schon einmal besucht hat, wird den Gag verstehen und unweigerlich schmunzeln… (bw)

Nonplayer, Band 1
Text & Bilder: Nathaniel (Nate) Simpson
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-095-9

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