Black Kiss, Band 2 (Panini)

März 27, 2015

Black Kiss, Band 2 (Panini)

Fortsetzung folgt – dieses altbewährte Prinzip greift immer dann, wenn ein Erstlingswerk a) erfolgreich oder zumindest b) aufsehenerregend war. Zweiteres trifft zweifelsohne für ‚Black Kiss‘ zu, jenem Skandalopus, mit dem Howard Chaykin (American Flagg, Star Wars ) 1988 das prüde Amerika sehr bewusst schockierte und provozierte. Der schwülstige Porno-Thriller landete schick schwarz verpackt in den Adult Bookstores, die Sittenwächter empörten sich, das Ziel der Entlarvung der Doppelmoral (und des freudigen Tabubruchs) war erreicht. Und genau das gelang Chaykin auch 25 Jahre später, als er 2013 das Konzept wieder aufleben ließ und durchaus abgewandelt wieder aus dem Vollen schöpfte. Dabei schaltet er allerdings in allen Belangen noch einen Gang höher: konnte man im ersten Ausritt (sorry also ein paar Sex-Gags müssen sein) noch eine durchgängige Story verfolgen – eine krachige Mischung aus film noir, Thriller und Horror, immer gut durchgemischt mit full frontal Erotik -, so liefert Teil 2 nun eher eine episodische Struktur, die durch zentrale Figuren zusammengehalten wird.

In insgesamt zwölf Abschnitten katapultiert uns Chaykin durch ein Jahrhundert turbulenter Geschichte, vom New York im Sommer 1906 über das besetzte Paris 1942 bis hin zum Spätherbst 2001 in San Francisco. Wie ein überdrehter Boccaccio mit einem durchgeknallten Decamerone präsentiert der Meister uns die Abenteuer von Charles Kenton, genannt Bubba, der dem Untergang der Titanic nur durch die auch wiederholt so bezeichnete rektale Vergewaltigung durch einen unersättlichen Sukkubus entrinnt und fortan durch die Jahrzehnte wandelt, um unter anderem als sexbesessener Stummfilm-Cowboy sein Dasein zu fristen. Dabei läuft ihm bald Eunice MacAvoy über den Weg, die seine Rolle übernimmt und in allerlei Inkarnationen – Beverly Grove alias Blanche DeWolfe alias Ilona Fontaine – auf der Suche nach geeigneten Partnerinnen (wobei man das nie so genau weiß, ob man es nun mit Männlein oder Weiblein zu tun hat) ist, um den Männern erst ordentlich den Marsch zu blasen (das war jetzt wieder ein Sex-Witz – gut oder?) und sie dann gerne auch unsanft ins Jenseits zu befördern, indem sie ihnen ihr bestes Stück unsanft entfernt.

Damit erschöpft sich die Handlungskomplexität denn auch schon – wobei es darum ja auch gar nicht geht. Chaykin macht sich viel mehr einen spürbar diebischen Spaß daraus, in atmosphärischem Noir-Stil alle verfügbaren Konventionen zu brechen, wobei die Grenzen noch deutlicher als in Teil eins überschritten werden: da werden alle verfügbaren Körperöffnungen gleichzeitig bedient (oder doch nicht alle – wer Das Boot gelesen hat, weiß, dass man dort mit durchaus originellen weiteren Varianten liebäugelt), auch Pferde kommen zu ihrem Spaß, und die Weggefährten Eunices sind gerne mal Transvestiten, die ihren Bettgenossen beim Einsatz eine saubere Überraschung bereiten. Wenn man in der ganzen Melange einen Sinn sehen möchte, könnte man von einem satirischen Sittenpanorama reden, welches erneut in der Provokation die Doppelmoral anprangert – Chaykin selbst stellte fest, dass die Aufregung um sein Werk wohl eher moralische Pflichtübung als wirkliches Entsetzen sei, „nach dem Motto: wenn ich das nicht abstoßend finde, dann hält mich meine Freundin für degeneriert“.

Mag sein – wie spitz die bürgerliche Masse insgeheim doch ist, führt ja derzeit der Siegeszug des Groschensadopornos für Hausfrauen namens 50 Shades Of Grey in Wort und Bild vor. Andererseits drängt sich bisweilen auch der Eindruck des kalkulierenden, fast schon formelhaft provozierenden Autors auf – zeigen wir möglichst viele Sauereien, dann erregen sich möglichst viele, und der Erfolg ist sicher. Diese Rechnung ging denn auch auf: die Moralapostel waren standesgemäß empört, die Fangemeinde feierte das Werk als „most explicit comic“ ever. Mit augenzwinkernder Selbstironie stellt Chaykin denn auch bei der kurzen, als Anhang beigefügten Dokumentation zur Entstehung einer Szene fest: „Wie’s gemacht wird. (Warum, das weiß keiner so genau)“. Der vorliegende Band enthält in nobler Hardcover-Aufmachung die US-Hefte ‚Black Kiss 2‘ 1-6 sowie das Weihnachts-Special (kein Witz!) ‚Black Kiss XXXmas in July‘. Somit gilt: ich weiß, wo Du’s kriegen kannst, wenn Du’s haben willst… (hb)

Black Kiss, Band 2
Text & Bilder: Howard Chaykin
180 Seiten in schwarz-weiß, Hardcover
Panini Comics
24,99 Euro

ISBN: 978-3-86201-955-7

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