Ash (Splitter)

Februar 20, 2015

Ash (Splitter)

Anguis Seductor Hominum – kurz: Ash. Wir alten Lateiner wissen natürlich, das hat weniger etwas mit dem Motorsägen schwingenden Tollpatsch zu tun, sondern das ist die biblische Bezeichnung für den großen Versucher, für die Schlange, die den Menschen verführt. Und weil wir auch unsere Bibel kennen, wissen wir weiter: das ist niemand anders als der Antichrist himself, der Teufel in seinen vielen Inkarnationen.

Eine davon ist ein harmlos aussehendes, kleines Mädchen, das in einem mittelalterlichen Paris eine protestantische Revolte anstachelt, dann von der eigenen Seite verraten und von den Katholiken in eine Krypta geschlossen wird. Denn die kleine Maid trägt gleich mehrere Geheimnisse in sich – insbesondere ist sie unsterblich, weshalb der Tod auf dem Scheiterhaufen relativ wenig nutzen würde. Das Problem ist dadurch allerdings nur aufgeschoben – 500 Jahre später macht sich der dubiose Faust (hübsche Namensgebung auch hier) daran, Ash zu befreien, um ihr das Mysterium des ewigen Lebens zu entlocken. Denn er selbst ist todgeweiht, sein Dasein nur verlängert durch ein mechanisches Herz, das ihm seine erfindungsreichen Eltern im zarten Alter eingepflanzt haben.

Ash gelingt die Flucht, ohne Erinnerung an ihr voriges Leben irrt sie durch Paris und wird von einer Gruppe junger Diebe aufgenommen, in deren Diensten sie sich in einem Mädchenpensionat verdingt, um die Gören der edlen Herrschaften ihrer Schätze zu erleichtern. Dabei entdeckt sie eine weitere unheilvolle Gabe – sie hat ein finsteres zweites Gesicht und kann den Tod ihrer Mitmenschen voraussehen. Als sie der Schülerin Kamila auf den Kopf zusagt, dass sie vom Stalljungen Gustav schwanger sei und bei der Geburt des Kindes sterben wird, erschließt sich ein weiteres Stück des Geheimnisses: Ash ist in der Lage, mit einer magischen Klinge, einem so genannten Schneidmesser, den dräuenden Todesschatten für sieben Jahre zu verscheuchen. Genau deshalb jagen Faust und bald auch zwielichtige Würdenträger der katholischen Kirche hinter ihr her – für sieben Jahre längeres Leben paktiert man gerne auch mit dem Teufel. Faust macht mit den Katholiken flugs gemeinsame Sache, und so kommt es alsbald zum apokalyptischen Duell, in dem sich Luzifer als menschlicher als alle herausstellt…

Vielschreiberling Francois Debois (u.a. Jack The Ripper, auch bei Splitter) legt mit Ash eine ideenreiche Variation des alten Faust-Themas vor: der Teufel ist hier nicht der trickreich lockende Verführer, der den Menschen als Gegengeschäft für Jugend und Macht ihre Seele abluchsen will, sondern eher das Opfer menschlicher Ängste und Rücksichtslosigkeit: wie ein wildes Tier hetzen Faust und Kirche, also Atheist und Religion gleichermaßen, hinter einem Kind her, das nicht weiß, woher seine Fähigkeiten kommen und das selbst keinerlei böse Absichten in sich trägt. Der Mensch macht den Teufel erst zu dem, was er ist, so der Eindruck. Die Kirchenmänner erscheinen zutiefst gewissenlos und machthungrig, und Erfinder Faust bringt mit Iron Man-Herz und Robotern einen anachronistischen Technik-Touch à la Wild Wild West ins Geschehen.

Zeichnerin Krystel inszeniert ihr Erstlingswerk in ruhigem, klarem Strich, großzügigen Panels, stimmiger Farbgebung und atmosphärischen Blickwinkeln, so dass die als Double-Edition bei Splitter vollständig vorliegende Geschichte (hier eine Übersicht aller bisher besprochenen Splitter-Double Titel) zu einem packenden Leseabenteuer wird. Und ein bisschen Tanz der Teufel ist es dann am Ende ja doch. (hb)

Ash
Text: François Debois
Bilder: Krystel
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-009-6

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