Interview mit Daniela Schreiter (Schattenspringer)

August 28, 2014

Schattenspringer

Schon seit Wochen sorgt Schattenspringer (unsere Rezension findet ihr hier), die autobiografische Graphic Novel der Berlinerin Daniela Schreiter, für Furore. Selbst Hella von Sinnen zeigte sich im Comic-Talk (das Literarische Quartett für Graphic Novels) von dem Band und von der Art begeistert, wie die Autorin ihre Kindheit mit dem Asperger-Syndrom schildert: sehr anschaulich und stets humorvoll. Wir hatten die Gelegenheit, Daniela Schreiter einige Fragen zu stellen – vielen Dank dafür an Daniela.

Comicleser (CL): In Schattenspringer wählst Du ganz absichtlich das Medium des Comic, weil es Deiner Meinung in Bildern und Analogien leichter ist, zu erklären, wie Du die Welt erlebst. Gab es dazu einen konkreten Anlass, oder wolltest Du immer schon darstellen, wie das Leben aus Deiner Sicht ist?

Daniela Schreiter (DS): Ich habe mit dem Comic meine Diagnose verarbeitet. Zwar habe ich schon vorher in meinen Comics auch Alltagssituationen gezeichnet, aber dabei noch nicht speziell auf meinen Autismus Stellung genommen und die Besonderheiten, die mit meiner Wahrnehmung einhergehen.

CL: Wie waren bislang die Reaktionen aus Deinem Umfeld auf Schattenspringer? Gab es auch Ablehnung, weil Du ja absichtlich auch Humor und witzige Situationen einsetzt, um die Thematik zu verdeutlichen?

DS: Durchweg positiv, ob Autist oder Angehörige von Autisten (oder auch diejenigen, die noch nie mit Autismus in Kontakt kamen): es waren immer positive Reaktionen. Gerade auch der Humor wurde dabei gelobt, da sonst autobiographische Geschichten von Autisten nicht selten als Leidensgeschichten verkauft werden. Dass dies aber nicht der Fall sein muss, wollte ich unbedingt mit diesem Comic unterstreichen.

CL: Bist Du mit den Verkaufszahlen von Schattenspringer zufrieden?

DS: Mir liegen noch keine genauen Verkaufszahlen vor, da aber die erste Auflage sehr schnell ausverkauft war, denke ich, dass sie zufrieden stellend sind. Jedenfalls freue ich mich sehr darüber, dass Panini durch diesen Comic (der ohne Frage ein Risiko darstellte, da das Thema ein SEHR speziell ist und ich im Printbereich ein völliger Newcomer bin) keine Verluste erleiden muss.

CL: Wie bist Du zu Panini gekommen? War Panini Deine erste Anlaufstelle oder kam der Verlag auf Dich zu (weil Schattenspringer zuerst auf Deiner Homepage veröffentlicht wurde)?

DS: Panini ist auf mich zugekommen: Sie haben Schattenspringer auf meiner Homepage gelesen und fragten mich, ob ich mir vorstellen könnte den Comic auch als Printversion zu veröffentlichen. Natürlich wollte ich, ich hätte niemals gedacht, dass sich tatsächlich ein Verlag an dieses Thema herantraut.

CL: In der Comicversion liest Du selbst als Kind Superhelden-Comics, man sieht u.a. X-Men. Was liest Du selbst gerne, damals und heute? Wer hat dich als Zeichner oder Autor inspiriert? Hast Du konkrete Vorbilder?

DS: Damals wie heute lese ich immer noch gerne X-Men, ich bin mit den Comics und der Zeichentrickserie aufgewachsen und auch im Kino muss ich die X-Men Filme mehrmals schauen, sie bleiben meine Lieblingssuperhelden. Ansonsten lese ich gerne Graphic Novels aller Art, national wie international.

Mein größtes Vorbild ist immer noch Ralf König: Mit 14 Jahren entdeckte ich seine Comics und es gibt keinen anderen Comickünstler, der mich so stark prägte: Sein Humor und vor allem sein perfektes Timing für die Pointen sind fantastisch. Daher war ich besonders glücklich, als ich ihn in Erlangen persönlich treffen konnte (ich kann es immer noch nicht ganz fassen).

Eine Seite aus Schattenspringer

Eine Seite aus Schattenspringer

CL: Du warst in diesem Jahr auf der Comicmesse in Erlangen – dort geht es ja durchaus leicht chaotisch, laut und gedrängt zu. Wie bist Du damit umgegangen? Hattest Du die Möglichkeit, mit Lesern zu sprechen?

DS: Erstaunlich gut, obwohl ich große Angst vor Overloads (und eventuellen Shutdowns) hatte. Ich habe mich lange vorher innerlich auf die Reise vorbereitet, so gut visualisiert wie möglich, genaue Zeitpläne erstellt, schon einen Monat vorher festgelegt, welche Kleidung ich anziehen werde und vieles mehr. Auf der Messe gab es einen Rückzugsort (Pausenraum), in den ich mich immer zurückziehen konnte und der Salon selbst war nicht so chaotisch wie die Leipziger Buchmesse (die mich im Gegensatz zum Comic Salon völlig ausgeknockt hatte). Es war zwar trotzdem sehr anstrengend für mich, aber auch wunderschön. Ich habe mir genügend Pausen eingeräumt und wenn nichts mehr ging bin ich auf mein Hotelzimmer gegangen, das war für alle völlig in Ordnung. Der Verlag hatte vollstes Verständnis und war sehr aufmerksam (noch mal ein großes Dankeschön an dieser Stelle!).

Ich habe bei den Signierstunden auch mit Lesern sprechen können, mit denen ich zum Teil sogar später nach der Messe Mailkontakt hatte, das war ein schönes Erlebnis!

CL: In Schattenspringer wird verschiedentlich auf Rain Man Bezug genommen – weil aus Deiner Sicht die Darstellung in diesem Film eher irreführend ist. Was stört Dich an dem Film?

DS: Rain Man basiert auf der Biographie von Kim Peek, der selbst gar kein Autist war: Kim Peek war ein Savant und hatte eine Inselbegabung. Selbst wenn Kim Peek Autist gewesen wäre, wäre er ein Extrem gewesen, das es in der Realität praktisch so gut wie nicht gibt (es gibt weltweit nur 100 Savants, nur die Hälfte davon sind Autisten). Leider hat dieser Film aber genau dieses Bild von Autismus geschaffen und die Vorurteile wieder abzubauen ist sehr schwierig. Wenn man keine Hintergrundinformationen zum Autismusspektrum besitzt und diesen Film schaut, denkt man schnell: Jeder Autist ist ein Savant und kann kein selbständiges Leben führen. Das ist einfach falsch. Inzwischen gibt es aber zum Glück auch einige gute Filme über Autismus, wie z.B. Snow Cake (mit Alan Rickman und Sigourney Weaver).

CL: Du arbeitest bereits an einer Fortsetzung von Schattenspringer. Wird es danach weitere Bände geben oder ganz andere Projekte?

DS: Da werde ich mich noch selbst überraschen lassen :).

(hb)

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