
Rocker, Blondschopf, Freigeist, Frauenbeglücker: so knattert der junge Siegfried auf seinem Feuerstuhl fröhlich durch die Sagenwelt der Nibelungen. Irgendwann wird es dem Vater zu bunt, der junge Herr soll ein stetes Leben führen und sich eine Frau suchen. Und so „easy ridert er mit Hasch inne Tasch“ durch die Lande, „rettet“ diverse Jungfrauen vor einem Lindwurm, in dessen Blut er badet und weitgehend unverwundbar wird. Nach dem Motto „Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment“ besucht er die Lorelei (die sich als Nixe herausstellt), am Hofe der Nibelungen (die eine Armee von Eunuchen unterhalten) klaut er Alberich seine Tarnkappe, bevor er am Nordpol die eiskalte Brunhilde hinter einer Waberlohe trifft.
In Schottland verschlägt es ihn in eine Schlacht der Clans, die sich unter der Führung von McDracul als fiese Vampire herausstellen – aber keine Bange, „Die Nacht geht – sexy Siegfried kommt“, und auch Kessy Nessie hilft dem „Uwe Seeler der Liebe“, der vor allem Eckstöße beherrscht, trefflich aus, der ihr daraufhin seine Tarnkappe schenkt – weshalb das Seemonster seitdem nie mehr gesehen wart. In Worms angekommen hilft Siegfried schließlich König Gunther dabei, die kalte Brunhild durch diverse Tricks zur Heirat zu bewegen – während er selbst ein Auge auf die schmucke Krimhild geworfen hat…
Dieser bunte Reigen aus freizügigen, zotigen und mit oft zeitbezogenen Gags prallgefüllten Szenen erschien in den Jahren 1971 und 1972 in PIP, einem Vertreter der damals durchaus gängigen, heute ausgestorbenen Spezies des Männermagazins, auch genannt Schmuddelheftchen. Auf dem Cover stets mit einer leicht bekleideten Dame glänzend, brachte PIP Cartoons, skurrile Einseiter, laue Witzchen und war damit als Garant für die gepflegte Herrenrunde gedacht. Kaum zu glauben daher, dass der kreative Kopf hinter der Sache niemand anders als Fix und Foxi- und Bussi Bär-Macher Rolf Kauka war: unter dem (heute aus bedauerlichen Gründen sehr passenden) Decknamen „Weynstein“ verfasste er die Stories um den Recken Siegfried, die eine durchaus köstliche Verballhornung der Nibelungen-Sage lieferte und dabei die gar nicht mal so leichte Erotik zumindest in einen inhaltlich spaßigen, parodistischen Rahmen stellte.
So etwa sucht Alberich einen Vermögensverwalter für seinen Schatz, wir wissen endlich, warum niemand das Monster von Loch Ness jemals zu Gesicht bekommen hat, Siegfried echauffiert sich über die Energiekrise der 70er („Tempo 100 nervt“ – sehr aktuell!), bei der Doppelhochzeit am Hofe von Worms liest der Priester aus dem Decamerone – die Gag-Dichte ist wahrlich beachtlich. Selbst eine kleine Selbstreferenz baut Kauka ein: beim Wettstreit um die holde Brundhild fungiert Fix und Foxi-Freund Lupo als Stadion-Ansager.
Zeichnerisch inszeniert wurde das Ganze seinerzeit vom Italiener Riccardo Rinaldi, auch bekannt durch seinen Kauka-Steinzeit-Funny „Die Pichelsteiner“, der in einem sehr freien Stil-Mix die Geschehnisse flott präsentiert. Heute weitgehend undenkbar, atmet dieses Kompendium damit einen wohligen 70er-Geist, der umso spannender ist, als die Originalhefte heute kaum mehr zu bekommen sind und die einzelnen Seiten sorgfältig anhand von Scans und Druckvorlagen rekonstruiert wurden. Komplett mit allen Einseitern und auch Witzchen aus den 24 Originalheften, entsteht damit ein buntes Panorama, das dank Kaukas Augenzwinkern auch heute noch Freude macht. Die auf nur 77 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe ist bereits verlagsvergriffen. (hb)
Siegfried
Text & Bilder: Riccardo Rinaldi
88 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
24,95 Euro
ISBN: 978-3-96430-460-5