
Nahe Turin, im Jahr 1896. Auf dem Landgut des Grafen Banioni geschieht ein Mord. Das Opfer ist Carlo Pilotto, der Verlobte von Luisa, der Enkelin des Grafen. Als Tatverdächtiger wird schnell Pietro Intragna, der Stallbursche, festgenommen. Doch der beteuert so hartnäckig seine Unschuld, dass Inspektor Vittorio Altieri ihm Glauben schenken mag, während der Staatsanwalt auf einen schnellen Abschluss der Ermittlungen drängt.
Denn schließlich ist Intragna, aus dem einfachen Volk, auch wenn er nicht gestehen will, der ideale wie dankbare Schuldige, nicht zuletzt, um einen Skandal in der feinen Gesellschaft zu vermeiden. Doch Inspektor Altieri lässt nicht locker und bittet die blinde Iris De Floris, eine Freundin Luisas, um Hilfe bei der Aufklärung. Die erweist nicht nur als so charmant wie clever, sie offenbart auch ungeahnte Fähigkeiten…
Ein Kniff in der Story ist, dass wir von Anfang an wissen, wer Carlo Pilotto ermordet hat, auch wenn dabei im späteren Verlauf der Handlung immer wieder Zweifel gesät werden. Für die sorgt u.a. der Stallknecht, der – kleiner Spoiler – zwar nicht der Mörder ist, der aber dennoch eine wichtige Rolle spielt.
Bei seinen Ermittlungen findet Inspektor Altieri keinen anderen Ansatz, um den Stallburschen zu entlasten, als Iris De Floris aufzusuchen, die eine geheimnisvolle wie attraktive Aura zu umwehen scheint. Nach und nach wechselt der Fokus der Handlung vom Inspektor auf Iris (und wieder zurück), die dann tatsächlich zur vermeintlichen Aufklärung beiträgt. Nur ist ihre „Aussage“, die durch ihre besondere Gabe gewonnen wurde, auch vor Gericht belastbar?

Was als Krimihandlung beginnt, die sich erzählerisch Zeit nimmt und der vermeintlich eine tragische Dreiecksgeschichte vorangeht, nimmt nach dem ersten Teil eine neue Wendung, die das Geschehen dann im zweiten Teil verlagert (Stichwort „Brüder des großen Schattens“), wobei die Geschichte um den Mord – mit dem überraschenden Prozessbeginn gegen den Stallburschen – ebenso fortgeführt wird.
Die besondere Gabe der blinden Hauptakteurin bringt dabei einen Hauch Fantasy in die Story ein. Charakteristisch für die Zeichnungen ist der kräftige Schwarz-Anteil bei den Panels, was mit der verwendeten Farbpalette tatsächlich an die kolorierte Fassung von „V wie Vendetta“ erinnert. Autor ist Renato Colombo, als Zeichner fungiert Marco Boselli – für beide bedeutet der Band ihr Debut in Deutschland.
Der Band, im italienischen Original ab 2019 veröffentlicht, erscheint im neuen Verlag MarGravio mit Sitz in Bad Homburg, der jedoch so neu noch gar ist. Denn der Titel kommt bereits in einer zweiten, erweiterten Auflage daher und ist daneben auch in einer Hardcover-Variante (siehe rechts) erhältlich. Mehr zu einem weiteren Comic aus dem Verlag („The last Detective“) folgt in Kürze. (bw)
Iris De Floris
Text & Story: Renato Colombo
Bilder: Marco Boselli
120 Seiten in Farbe, Softcover
MarGravio Verlag
19 Euro
ISBN: 978-3-910932-16-6