Die 1000 Gesichter von Jack the Ripper (All Verlag)

Januar 3, 2025
Die 1000 Gesichter von Jack the Ripper (All Verlag)

Zwanzig Jahre sind vergangen seit den Morden im Londoner Viertel Whitechapel. Niemals wurde geklärt, wer hinter den bestialischen Taten stand und Scotland Yard mit Briefen foppte, die stets „From Hell“ adressiert waren. Da geht die Mordserie plötzlich in eine neue Runde – denn Jack nimmt gerne mal Besitz von anderen Personen und verübt seine Taten so weiterhin unerkannt, gerne auch mal im schizophrenen Zwiegespräch mit den Herrschaften, derer er sich bemächtigt. Das erfährt zum Beispiel der Polizist Robert, der eine perverse Freude an den grausig zugerichteten Leichen hatte und selbst der neue Jack werden will – dabei aber dem neuen Ripper selbst zum Opfer fällt, der ausgerechnet in Gestalt einer Prostituierten auftaucht.

Ebenso schlecht ergeht es zwei Leichendieben, die ihrem Auftraggeber nicht mehr genug frische Ware liefern – und auch der feine Wissenschaftler selbst muss feststellen, dass sein neuer Geschäftspartner die Leichen nicht ausgräbt, sondern selbst produziert. Als Scotland Yard ein hohes Kopfgeld aussetzt, finden sich zwar jede Menge Hinweise, aber natürlich erlaubt sich Jack ein ausgeklügeltes Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Auch der Betreiber einer Opium-Höhle, dem Jack im Drogenrausch seine Taten offenbart, geht Fehl in der Annahme, den Halunken für seine Zwecke missbrauchen zu können und erleidet ganz im Gegenteil selbst ein durchaus drastisches Schicksal…

In den Jahren 1984-85 erschienen in der Zeitschrift Creepy diverse Kurzgeschichten, die unter dem Titel „Jack El Destripador“ einen originellen Kniff einsetzten: Jack the Ripper wandert als „Mörder mit den 1000 Gesichtern“ in Form einer Persönlichkeitsspaltung weiter durch die Londoner Gesellschaft und treibt so ungestört sein Unwesen. Dabei wirft Autor Antonio Segura Cervada einen höchst satirischen Blick auf die Abseitigkeiten der gar nicht so feinen Damen und Herren, die entweder gerne wären wie Jack oder seine umtriebige Tatkraft gerne für sich nutzen wollen, was aber regelmäßig sauber daneben geht. Jack selbst tritt in Dialog mit seinem jeweiligen „Gastkörper“, macht sich über die Umwelt lustig und geht auch schon mal mit sich selbst hart ins Gericht, wenn er unvorsichtig oder nicht mehr originell ist.

In markantem Schwarz-Weiß lässt Zeichner José Ortiz Moya (der mit Segura auch bei „Hombre“ zusammenarbeitete) dabei die schmierige Seite des viktorianischen Zeitalters an uns vorüberziehen, von Kaschemmen und Hinterhöfen bis zu Opiumhöhlen und dunklen Gassen, die neben zahlreichen Anspielungen auf Vorlagen aus Literatur und Film (die beiden Leichendiebe sind natürlich eine Hommage an Robert Louis Stevensons „Body Snatcher“ und die berüchtigten realen Grabräuber Burke und Hare) auch viele bekannte Gesichter als Figuren einstreut: so etwa entdeckt der Genrefreund gerne Gestalten angelehnt an Peter Lorre, Boris Karloff (der mit Vornamen sogar Boris heißt), Sherlock Holmes und auch Bette Davis, was dem Geschehen eine besonders amüsante Note verleiht.

Somit ein wohlig-gruseliges Kompendium, das Mitte der 80er Jahre eine hübsche Referenz auf die seligen EC-Comics lieferte und beim All-Verlag hier vollständig mit Vor- und Nachwort nochmals aufersteht, wahlweise als Normalausgabe oder auf 111 Stück limitierte Vorzugsausgabe mit nummeriertem Exlibris. Ach ja, und dass der Titel sowohl auf Lon Chaney als auch auf Mario Bavas „Drei Gesichter der Furcht“ anspielt, das haben wir natürlich auch notiert. (hb)

Die 1000 Gesichter von Jack the Ripper
Text & Story: Antonio Segura
Bilder: Jose Ortiz
96 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
All Verlag
24,80 Euro

ISBN: 978-3-96804-291-6

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