Auch der vierte Integral-Band der chronologischen Gesamtausgabe beinhaltet wieder vier Alben, die diesmal in den Jahren 1978 bis 1981 erschienen sind. Gleich kurios geht es los mit „Das große Bibbern“, erstmals und bisher einzig auf Deutsch als „Ein eiskalter Auftrag“ im Jahr 1983 in Kaukas „Fix und Foxi“ abgedruckt: Nachdem ein vermeintlich bahnbrechendes wissenschaftliches Experiment schief geht, wurde Vonder, einer der Professoren, zu einer menschlichen Batterie. Sein Kollege engagiert Sammy und Jack, die mal wieder klamm sind, Vonder zu beschützen, was aufgrund der enormen Energie, die der arme Kerl nun gespeichert hat, in Grönland geschehen muss. Denn Vonder muss kühl gehalten werden, bis eine Heilung gefunden ist. Natürlich versuchen diverse Schurken, Vonder zu entführen, um ihn, bzw. seine Eigenschaften für militärische Zwecke zu missbrauchen.
Klimawandel mal anders: Schneller, kurzfristiger und glücklicherweise nur temporär. Autor Raoul Cauvin und Zeichner Berck (u.a. „Timmi Tambour“) zeigen hier in einem witzigen Katz-und-Maus-Spiel hoch amüsante Slapstick-Action, die sie in immer neuen Variationen konsequent durchziehen, obwohl sie lediglich auf einem Motiv beruht: Aufgrund seiner inneren Hitze lässt Vonder als ungewollte „Superkraft“ in seiner unmittelbaren grönländischen Umgebung Eis und Schnee schmelzen, was beide Seiten – die Beschützer Sammy und Jack, als auch die nicht gerade hellsten Häscher – gleichermaßen immer wieder wahlweise irritiert und erfreut, dabei aber immer beeinträchtigt. So reihen sich Hitze- und Eis-Gags nahtlos aneinander, was gerne zu originell kuriosen Situationen führt.
In „Die Gorillas machen ein Tor“ geht es natürlich um Fußball. Die Story erschien 1980 zuerst im Spirou-Magazin und bei uns 1984 wieder in „Fix und Foxi“ als „Schwere Jungs und Fußballfieber“. Martino Golak, windiger und mit allen Wassern gewaschener Trainer der Mannschaft von Costa Mavia, bucht Sammy und Jack als Ablenkung und als Zielscheibe. Denn das heikle Auswärtsspiel bei San Genova steht an und die San Genovesen werden alles tun, um die Gastmannschaft auf rüde Art und Weise zu sabotieren. Als dann dennoch die „echten“ Spieler zu Schaden kommen, müssen Sammy und Jack tatsächlich als Fußballer auf das Spielfeld. Ein brisantes Fußballspiel, in Sachen Ultras oder Hooligans massiv auf die Spitze getrieben und damit parodiert. Mit pfiffig inszenierten Keilereien außerhalb und zahlreichen Fouls auf dem Spielfeld. Dennoch die schwächste Story in dem Band.
„Die Gorillas in Hollywood“ ist dann wieder von ganz anderem Kaliber und mit einem Thema, das wieder besser in die Zeit passt, in der die Serie spielt. Denn es geht nach Hollywood, in den dreißiger Jahren längst das Mekka der Filmindustrie. Ein Produzent entdeckt die frappierende Ähnlichkeit zwischen Jack Attaway und seinem Star, dem Schauspieler Randolf Valentini. Der weigert sich, aufgrund von Einschüchterungen seitens der Mafia, die Dreharbeiten zu seinem neuen Film fortzusetzen. Jetzt soll Jack seinen Part übernehmen. Und hetzt damit die Mafiosi auf sich… Die Story, im Original 1980/1981 entstanden und später als 15. Album der Reihe veröffentlicht, erschien 1985 als „Der unbequeme Doppelgänger“ in vier Fix und Foxi-Heften.
Mit Randolf Valentini, der namentlich natürlich an den früh verstorbenen Stummfilmstar Rudolph Valentino angelehnt ist (der seiner Zeit unter seinen weiblichen Fans eine ähnliche Hysterie auslöste, wie die, die hier persifliert wird), stellen Cauvin und Berck die Karikatur eines Hollywood-Beaus ins Rampenlicht. Der vermeintlich von der Lusche zum harten Hund mutiert, natürlich nur dank Jack. Und dazu trägt der Gangsterboss noch das Konterfei von US-Präsident Richard Nixon. Die Story mit dem Grundmotiv der Nähe der Mafia zur Filmindustrie entwickelt sich als munteres Verwechslungsspiel mit einem gelungen, ganz Hollywood-typischem Schluss-Gag.
Den Abschluss des Integral-Bandes bildet eine Geschichte mit einem heiklen Thema, mit dem Cauvin und Berck hier aber gekonnt umgehen: Rassismus und der „Ku-Klux-Klan“. Das Abenteuer, das hier als deutsche Erstveröffentlichung enthalten ist, erschien 1981 im Spirou-Magazin und zwei Jahre später als Album bei Dupuis: Unterwegs im Süden treffen Sammy und Jack erst auf eine nächtliche Klan-Versammlung und werden anschließend von den Schwarzen, die am ärmlichen Stadtrand leben, vertrieben. Auch der Besitzer des Hotels, in dem die beiden übernachten, wie auch der örtliche Sheriff benehmen sich seltsam und feindselig. Bald erfahren Sammy und Jack den Grund dafür, wollen aber zusätzlich den Klan-Schurken den Garaus machen, Überraschungen inklusive.
Auch hier kommt wieder ein Running Gag zum Tragen, diesmal ein explosiver, der erneut konsequent verfolgt und am Ende dann ad absurdum geführt wird, zum Vergnügen von Leserinnen und Leser. Dazu zeigt die Story einen Krimi-Charakter, denn es gilt diverse Geheimnisse aufzudecken, wobei Sammy eine gute Figur macht. Wieder eine gelungene Story, wieder mit einem völlig anderem Thema, was die Klasse von Autor Cauvin zeigt, der bis zu seinem Tod 2021 etliche humoristische Serien schrieb, von denen einige noch auf ihre Veröffentlichung bei uns oder auf eine würdige Gesamtausgabe hierzulande warten (wie die der „Blauen Boys“, die gerade bei Salleck erscheint). Jeder Story, also jedem Album, steht hier zusätzliches Sekundärmaterial voran, in dem die unrühmliche Geschichte des Klans beleuchtet wird, die enge Beziehung Hollywoods zur Mafia, das Hooligan-Phänomen oder die falschen Pinguine in Grönland… Dazu gibt es noch drei Kurzgeschichten.
Auch der einleitende Sekundärpart lässt keine Wünsche offen. Er beginnt mit einem Blick auf „Kasimir“, die erste Serie Bercks, die der große René Goscinny schrieb und die gerade im All Verlag erscheint. Dann wird die Zusammenarbeit zwischen Raoul Cauvin und dem Zeichner Philippe Bercovici beleuchtet, aus der die Serie „Die kranken Schwestern“ hervorging, die bei uns vor etlichen Jahren bei Ehapa erschien. Natürlich immer angereichert mit etlichen Abbildungen, Magazin-Covern (vornehmlich von der flämischen Spirou-Variante namens Robbedoes), Zeichnungen und Skizzen. All das ergibt eine mustergültige Gesamtausgabe. Zehn Integral-Bände sollen es mal werden (passt – es gibt 40 Alben der Reihe), mit dem nächsten Band „Ma Attaway“ feiern wir also Halbzeit. Wie immer bietet der Verlag eine auf nur 99 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit alternativem Cover (siehe oben links) und einem Exlibris. (bw)
Sammy & Jack, Integral Band 4
Text & Story: Raoul Cauvin
Bilder: Berck
272 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
39 Euro
ISBN: 978-3-96430-252-6