Rockabilly Krauts (Kult Comics)

August 31, 2023
Rockabilly Krauts – Des Teufels Gitarre (Kult Comics)

Deutschland Ende der 50er: in der ganzen Nation, zumindest die jüngeren Teile davon, grassiert das Elvis-Fieber, zumal der skandalumwitterte Rock’n’Roller gerade seinen Militärdienst im Lande versieht. Auf der Militärbasis Ramstein tut Siggy seinerseits Dienst in der Armee und spielt in seiner Freizeit in einer Rockabilly-Kombo, die man selbstironisch die „Krauts“ nennt, frei nach der eher despektierlichen Bezeichnung, die man im englischen Sprachraum gerne für die Deutschen verwendet.

Als Siggy Zivilcourage beweist, ändert sich sein Leben radikal: ein Tanklaster wird von einem Heckenschützen angegriffen, Siggy rettet den Fahrer aus dem brennenden Wrack. Der zeigt sich erkenntlich, indem er dem Hobby-Musiker seine Gitarre vermacht – und die ist ein ganz besonderes Stück: Gene Vernon gewann das Teil seinerzeit in einem Gitarrenduell von einem dubiosen „Mr. Devil“, ließ sich dann zu allzu virtuosen Kapriolen hinreißen und wurde von einem Dämon dafür in die Hölle gezerrt. Vorsicht ist also geboten, aber Siggy kann natürlich nicht anders, als seinerseits mal ordentlich Gas zu geben. Er staunt nicht schlecht, als auch eher das Tor zur Hölle öffnet und ihm niemand anders entgegentritt als der Gröfaz Adolf selbst. Der berichtet dem entsetzten Siggy, der bei seinem Ziehvater Mime aufgewachsen ist, dass der große wunderbare Führer sein leiblicher Vater ist, der den Sprössling mit der Regisseurin Lotte Kruppstahl in die Welt gesetzt habe, der er bei den Dreharbeiten zum Olympia-Film 1936 nähergekommen sei.

Der liebe Papa will ab jetzt die Karriere des Sohnemanns begleiten und aktiviert dazu alsbald den alten Weggefährten Dr. Roeder, der sich schon in der Vergangenheit durch allerlei absonderliche Experimente hervorgetan hat. Das Ziel: man möchte den jungen Siggy zum „deutschen Elvis“ aufbauen und dem Original zu diesem Zweck buchstäblich die Stimme stehlen. Von alledem nichts ahnend, rekrutiert Siggy die burschikose Brünnhilde als Bassistin für seine Band – und als der berühmte Manager Ted Göring die Kombo unter seine Fittiche nimmt und sogar ein Auftritt als Begleitband des großen Elvis winkt, ziehen sich die Schicksalsfäden um Siggy immer enger…

Rockabilly Krauts – Des Teufels Gitarre (Kult Comics) - limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Druck
Die limitierte Vorzugsausgabe

Elvis als GI in Hessen! Diese historische Tatsache (die ich nur bestätigen kann, immerhin gibt es im Wohnort meiner erweiterten Familie die „Elvis-Brücke“, wo man Ende der 50er den King auf der Durchreise entdeckte und die historische Gelegenheit per Foto festhalten konnte) nimmt Holger Klein (u.a. „Tödliches Spiel“, „Blutspur“, beide auch bei Kult Comics erschienen) als Ausgangspunkt für eine furiose Reise durch Mythologie und Motive der Weltliteratur. Der Pakt mit dem Teufel, den ein Musiker eingeht, das atmet so einiges an Vorläufern, vom offensichtlichen Faust über den 1986er-Walter Hill-Film „Crossroads“, in dem Ralph Macchio mit dem leibhaftigen verhandelt, bis hin zur spaßigen Abfahrt „Tenacious D and the Pick of Destiny“.

Die ganzen Nibelungen versammeln sich hier als Kontext der Wagner-Begeisterung des Führers, von Siggy, hier nicht Drachentöter, sondern Gitarrero, über Brünnhilde bis zu Mime, der vom Schmied der Sage hier zum Tankwart und Ziehvater mutiert. Schon vom ersten Auftritt Hitlers selbst, locker in einem Sessel mit aufgestelltem Gehstock, verneigt sich Klein aber nicht zuletzt auch vor der grimmen Mär des Schlagersängers Johnny Liebling, der für ewiges Leben und Erfolg vor einem Teufelspakt nicht zurückschrecke, was den schlurfenden Privatdetektiv Harold Angel Jahre später einholt, als ein gewisser Louis Cypher ihn aufsucht – Alan Parkers „Angel Heart“ schaut hier an jeder Ecke vorbei, nicht zuletzt in der grausamen Operation, mit der Roeder (ein Zerrbild jedes sadistischen Nazi-Arztes) einer jungen Sängerin die Stimme stiehlt, um sie einer alternden Diva einzupflanzen.

Somit high concept ohne Ende, das in einem feurigen Finale endet, als ganz nach Roger Corman-Manier alles in Flammen aufgeht und das in der Realität ja niemals stattgefundene Elvis-Konzert tatsächlich steigt, komplett mit dem zwielichtigen Manager „Colonel“, der in Wahrheit ja alle Auftritte außerhalb der USA zu unterbinden wusste (und dem die Krauts hier allerdings ganz elegant den Hut klauen). Zeichnerisch ordentlich dämonisch, mit großformatigen Panels, bringt diese Story ein schwungvolles Update der alten Sage um den Teufelspakt, der hier zur Abwechslung mal gut ausgeht – dem Rock’n’Roll sei Dank. Und natürlich Elvis, der seinerzeit in Heimertshausen sogar Autogramme gab. Die unfindbar verloren sind im Malstrom der Geschichte. (hb)

Rockabilly Krauts – Des Teufels Gitarre
Text & Bilder: Holger Klein
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
24 Euro

ISBN: 978-3-96430-351-6

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