Bruce J. Hawker, Band 1 (Splitter)

Oktober 21, 2013

Bruce J. Hawker, Band 1 (Gesamtausgabe)

Januar 1800. Der junge Leutnant Bruce J. Hawker erhält von der Royal Navy sein erstes Kommando. Mit seinem Schiff, der HMS Lark, soll er eine Geheimwaffe nach Gibraltar bringen. Vorbei oder besser gesagt, mitten durch die feindliche spanische Flotte. Das Unternehmen scheitert, Bruce und seine überlebenden Offiziere werden gefangengenommen und sollen unter Folter verhört werden („Kurs auf Gibraltar“). Später finden sie sich in Ketten tief im Bauch eines spanischen Schiffes wieder. Von dort gelingt wider Erwarten die Flucht, als an Bord das Chaos in Form eines verbittert geführten Kampfes ausbricht, entfacht zwischen der spanischen Besatzung und mitreisenden Zigeunern. Das Schiff ist dem Untergang geweiht. An Bord tobt der Kampf, auf dem Meer der Sturm. In beeindruckenden Bildern zerschellt das Schiff an spitzen Riffs, nur wenige, darunter Bruce und die Zigeunerin Rawena, können sich retten und gelangen zurück nach England („Die Orgie der Verdammten“). Dort soll Bruce der Prozess gemacht werden. Er verliert nicht nur seine Ehre, sondern auch Freunde und Familie und steht vor den Trümmern seines Leben und seiner Karriere. Eine Begegnung mit einer Press Gang – eine Truppe Soldaten, die neue Matrosen zwangsrekrutiert – verändert wieder alles. Er wird geschnappt und auf ein Schiff verschleppt, die HMS Thunder, kurz nach einer erneuten Begegnung mit Rawena. Dort erlebt er als Mitglied einer Kanonenmannschaft Seeschlachten und Meutereien und trifft seinen alten Offizier Lund wieder. Am Ende wird Bruce rehabilitiert. Sehr zur Freude Rawenas („Press Gang“).

Bruce J. Hawker ist kein Piratencomic, die Reihe steht vielmehr in der Tradition von Abenteuer- und Seefahrer-Filmen wie Des Königs Admiral (Die Bücher von C.S. Forester mit seinem Helden Horatio Hornblower), oder später Peter Weirs Master and Commander oder Comics wie Surcouf (auch bei Splitter). Hawker ist der junge Kapitän, der stolz sein erstes Schiff führt, bald aber erkennen muss, dass ihm von der Admiralität ein Himmelfahrtskommando übertragen wurde. Das natürlich prompt in die Hose geht. Nach seiner Rückkehr fällt er erwartungsgemäß in Ungnade, ersteht unter Arrest, ist entehrt. Seine Stiefeltern und seine Verlobte wenden sich von ihm ab. Wie Ben Hur soll er sich als Galeerensträfling verdingen und muss er seine Ehre wieder erlangen. Das Storytelling ist ab und an etwas holprig. Warum beispielsweise vertraut man einem völlig unerfahrenen Kapitän eine solch wertvolle Fracht an – eine öminöse Geheimwaffe, deren Beschaffenheit wir nie erfahren? Warum schickt man ihn damit direkt in Richtung der feindlichen spanischen Flotte?

Aber Vances Zeichnungen machen die Schwächen in der Story mehr als wett. Sie sind kraftstrotzend, rauh wie das Meer. So gefallen sie mir am besten. Später, bei seiner Erfolgsserie XIII waren sie zwar filigraner, aber auch schon wieder geglättet. Die Darstellungen im Sturm, mit aufbrausender Gischt, mit hohen Wellen sind fast lebendig und atmosphärisch dicht dargestellt. Gleiches gilt auch für die Nachtszenen. Alle drei Geschichten beinhalten etliche Panels, an denen man sich nicht genug satt sehen kann. Die detailgetraue Wiedergabe der Schiffe, der militärischen Abläufe (Die Bedienung der Kanonen) zeigt, wie intensiv sich Vance mit der dieser Zeit beschäftigt haben muss. Man sieht, dass die Serie eine Herzensangelegenheit war.

Vance (Jahrgang 1935) ist eines der ganz großen franko-belgischen Zeichner-Asse und hat bei mir seit den seligen Zack-Zeiten in den Siebzigern einen Stein im Brett. Sein Bruno Brazil, eine Agentenserie, die in den Sechzigern entstand und im alten Zack abgedruckt wurde, wird auch gerade bei Ehapa als Gesamtausgabe veröffentlicht. Vance lebt schon lange in Spanien und musste vor drei Jahren seine Karriere krankheitsbedingt beenden. Obwohl sein Bruce J. Hawker über 20 Jahre hinweg erschien, entstanden nur wenige Geschichten, weshalb die Gesamtausgabe lediglich zwei Bände mit jeweils drei bzw. vier Alben umfassen wird (Die letzte deutsche Albenausgabe im Carlsen Verlag begann 1989). Aber wie es sich für eine Gesamtausgabe gehört ist auch hier ordentlich Bonusmaterial im Sekundärteil enthalten. Skizzen, Zeichnungen, Magazin-Titelbilder, historische Hintergründe oder die ursprünglichen ersten fünf Seiten von Kurs auf Gibraltar, die zwar im Erstabdruck im Magazin erschienen, die für die Albumveröffentlichung aber komplett verändert und neu gezeichnet wurden. Leider wurden die Seiten im französischen Original belassen und nicht mitübersetzt. Für die Episoden im zweiten Band hat Vance als Autor André-Paul Duchâteau (Rick Master) an Bord geholt. Diese abschließende Ausgabe wird noch umfangreicher und soll Anfang 2014 erscheinen. (bw)

Bruce J. Hawker Gesamtausgabe, Band 1
Text & Bilder: William Vance
192 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
34,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-608-0

Tags: , , , , , ,

Comments are closed.