Tagebuch eines Diplomaten, Band 1 (Splitter)

Oktober 20, 2022
Tagebuch eines Diplomaten, Band 1: Iran 1953 (Splitter Verlag)

Teheran, Hauptstadt des Iran im Jahr 1953. Die Ereignisse, die sich damals zutragen, hatten und haben Folgen, die bis in unsere Zeit nachhallen. Offiziell regiert der Schah, der traditionelle Herrscher des Landes. Der starke Mann im Staat aber ist Premierminister Mossadegh. Der half zwei Jahre zuvor die Ölindustrie des Irans zu verstaatlichen. Man brüskierte damit die Briten, die seit Jahrzehnten den Großteil des iranischen Öls förderten – und die damit auch den Großteil der Gewinne kassierten, während der Iran lapidar und trotz anhaltender Proteste mit Ölkrümeln abgespeist wurde. Jetzt sind die Briten sauer und die Amerikaner besorgt, dass sich der Iran mit all dem Öl, auf dem er sitzt und für das er händeringend einen Abnehmer sucht, den Sowjets zuwendet – der Kalte Krieg ist schließlich bereits in vollem Gange. Und auch die Franzosen wittern ihre Chance auf ein lukratives (Öl-) Geschäft. Deren Botschafter, der noch junge Jean D’Arven, der gute Beziehungen zu Mossadegh pflegt, tut sein Bestes, um das Geschäft in dieser diplomatisch äußerst heiklen Situation einzufädeln. Bis auch er von der Geschehnissen überrannt wird…

Eine völlig chaotische, politische Gemengelage, in der sich überraschende Allianzen formen, die sich wöchentlich, ja täglich ändern können und dies auch tun: Die Regierung in Person Mossadeghs lässt sich inoffiziell von der (bereits verbotenen) kommunistischen Tudeh Partei unterstützen, lehnt aber einen Deal mit Russland ab, das gerade den Tod Stalins „verkraften“ muss. Die Ayatollahs, schon damals mächtig und einflussreich, schlagen sich auf die Seite des Schahs (!), während die kaltgestellten Briten die Amerikaner bearbeiten, was schließlich zum „Erfolg“ führt. Beschließt man doch, aus Angst vor den Russen und vor dem Hintergrund der gerade in den USA grassierenden Kommunistenhatz, den iranischen Staat zu destabilisieren und schließlich einen Machtwechsel per Staatsstreich herbeizuführen. Was der CIA bekanntlich gelingen sollte. Vor diesem komplexen politisch-historischen Hintergrund begleiten wir den jungen Botschafter und seinen besten Freund und Beschützer Jacques, der gerne hemdsärmelig und teilweise unkonventionell handelt. Wir treffen mit ihnen auf bekannte historische Personen, wie Mossadegh oder den Schah, wobei die tatsächlichen Ereignisse immer wieder drohen, die Charaktere – seien sie erdacht oder historisch – in den Hintergrund zu drängen.

Die beiden einzigen fiktiven Personen sind Jean und Jacques: Jean ist zwar noch jung und unerfahren, aber intelligent und handelt schnell, immer im Interesse Frankreichs – vermeintlich, tatsächlich ist auch er am Ende nur ein politisches Mittel zum Zweck. Jacques, sein bester Freund und Sidekick seit Kindestagen, ist auch aufgrund seiner „niedrigen“ Position weniger an diplomatische Zwänge gebunden und agiert impulsiv. Auch den Außenminister Hossein Fatemi, der in Frankreich ausgebildet wurde und der eine Brücke zu Mossadegh schlagen will, kennen die beiden seit ihrer Jugend. Am Ende setzt sich das Geld der CIA durch, auf plumpe wie gleichsam wirkungsvolle Art und Weise. Was das Land jedoch nur in ein weiteres autoritäres Regime unter dem Schah treiben sollte, auch das bekanntlich nicht das letzte. Wer also wissen will, woher der währende Hass der Iraner auf die Amis stammt, ist mit dieser Geschichtslektion bestens beraten. Der inhaltlich abgeschlossene Band glänzt nicht nur aufgrund seiner historischen Akkuratesse und genauen Recherche, sowohl was Geschehnisse oder Personen, wie auch deren Darstellung betrifft, sondern auch mit detaillierten, feinen Zeichnungen. Wir sind gespannt, welchen Posten Jean und Jacques als nächstes antreten werden. (bw)

Tagebuch eines Diplomaten, Band 1: Iran 1953
Text: Tristan Roulot
Bilder: Christophe Simon, Alexandre Carpentier (Farben)
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96792-283-7

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