Das Dritte Auge, Band 1 (Splitter)

Juli 27, 2022
Das Dritte Auge, Band 1: Die Stadt der Lichter (Splitter Verlag)

Mickaël Alphange arbeitet als Restaurator in der Kathedrale Notre-Dame. Er weiß, dass er die Gabe der Synästhesie besitzt: er kann Klänge, Worte oder Noten in Farben, Formen und Strukturen umsetzen und kann Farben oder Emotionen „hören“. Nach einer seiner Meditationen und berauscht von Marihuana entdeckt er, dass jeder Mensch eine bestimmte Lichtaura besitzt, die nach dessen Gedanken, Gefühlen und Stimmungen ausgerichtet ist. Mickaël fühlt und sieht mit seinem nun geöffneten „dritten Auge“, dass es eine spirituelle Welt gibt, die für die Normalos unsichtbar und verschlossen bleibt. Sein Handwerksmeister Philippe macht ihm mit Jean-Michel Montrachet bekannt, der ebenfalls ein „Eingeweihter“ ist, dessen Gaben aber nicht an das Talent von Mickaël heranreichen. Jean-Michel beginnt mit der Ausbildung Mickaëls, die in einem berauschenden wie gewaltigen Initiations-Ritual endet…

Olivier Ledroit wurde bekannt durch seine spektakulären wie unkonventionellen Zeichnungen in den „Chroniken des Schwarzen Mondes“. Seine letzte Arbeit, der Dreiteiler um die Fee Wika, steckte ebenfalls voller visueller und ornamentaler Opulenz. Auch in seiner neuen Reihe „Das Dritte Auge“, die er auch schreibt und die ebenfalls auf drei Teile angelegt ist, begibt er sich in das Reich der Fantasy, nur ganz anders. Denn seine Geschichte spielt erstmals in unserer Zeit, der Gegenwart. Dennoch sind die Fantasy-Elemente, eben jene Welt, die sein Protagonist mit dem dritten Auge wahrnimmt, ein bestimmendes Element der Handlung, v.a. optisch. Für die Darstellung seiner Anderswelt wählt er anfangs lumineszente Quallen-Geschöpfe und Tentakel. Später, steigert er die Darstellungen und Visualisierungen, die explosionsartig immer abstrakter werden, ins Monumentale, mit ausladenden Breitwand-Panels, deren lichtdurchflutete Struktur und Geometrie die Ornamente aus „Wika“ ersetzen.

Die Story ist dabei leider noch Nebensache und bleibt recht dünn. Bis jetzt. Weite Teile des Albums (immerhin stolze 112 Seiten) widmen sich erst der Entstehung und Entfaltung des dritten Auges von Mickaël – seiner Erkenntnis, seiner Ausbildung und schließlich dem finalen Ritual. Das beginnt als verklärter Stadtrundgang von Paris, wobei den berühmten Sehenswürdigkeiten mystische Bedeutungen übergestülpt werden und der dann monumental endet. Dass Story-technisch noch was kommt, deutet der Einstieg in den Band an, der eine wilde Verfolgungsjagd zeigt, welche wir auch nach der Lektüre des Bandes noch nicht einordnen können. Auch den Text, der die Bilder meist begleitet und oft nicht minder ins Abstrakte driftet, muss man mögen. Sätze wie „In der mentalen Dekohärenz kommt es zu unvorstellbaren Verschmelzungen“ haben die Arbeit des Übersetzers sicher nicht erleichtert… Fazit: optisch beeindruckend – ein typischer Ledroit, möchte man sagen. Inhaltlich noch eher mau – hier müssen wir definitiv den zweiten Teil abwarten. Der ist auch in Frankreich noch nicht erschienen. (bw)

Das Dritte Auge, Band 1: Die Stadt der Lichter
Text & Bilder: Olivier Ledroit
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro

ISBN: 978-3-96792-368-1

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