Burgau im Spätsommer des Jahres 1521. Der junge Jakob, Bauernsohn und fast noch ein Kind, erhält einen Brief aus dem nahen Augsburg. Dort kann er eine Lehre als Buchdrucker in einer Meisterwerkstatt antreten. Als Drittgeborener, der den heimischen Hof nicht erben wird, nimmt er sofort an und macht sich auf den Weg in die Fuggerstadt. Doch am vereinbarten Stadttor wartet niemand auf ihn. Und ohne die Bürgschaft seines Lehrmeisters darf er Augsburg nicht betreten. So ist er gezwungen außerhalb der Stadtmauern eine Bleibe zu suchen. Und ein Auskommen. Er wird Tagelöhner auf einer Baustelle, schleppt Ziegel und lernt dabei Hans, einen „Arbeitskollegen“ kennen, der mit dem kargen Lohn seine Familie ernähren muss. Dennoch ist er mit seinem Los nicht unzufrieden. Jakob und Hans freunden sich an. Und während Jakob noch immer einen Weg in Stadt bzw. einen Bürgen sucht, ist Hans froh, dort nicht hin zu müssen. Denn in Augsburg wütet gerade die Pest…
1521, das Zeitalter der Renaissance. Martin Luther verteidigt seine neue Lehre beim Reichstag in Worms und Magellan stirbt bei seiner Weltumseglung. Und Augsburg ist auch dank der Fugger eine prosperierende Stadt. Jakob zögert nicht, den elterlichen Hof zu verlassen. Doch sein Weg scheint schon weit vor dem Ziel zu enden. Sein neuer Meister taucht nicht auf, niemand holt ihn ab, er ist auf sich alleine gestellt. Dennoch gibt er nicht auf, und die zufällige Begegnung mit Katharina, einer Bekannten, die nun Nonne ist, lässt ihn wieder Hoffnung schöpfen. Aber auch Katharina kann nicht so, wie sie will und muss sich den Regeln und der Disziplin ihres Ordens fügen. Religion und Gottesfurcht sind allgegenwärtig in dem Band. Hans vertraut trotz der harten Arbeit und des kargen Auskommens auf Gott und Katharina bleiben nur Gebete, um Jakob zu helfen. Bis der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt und damit ein großes Risiko eingeht.
Die grassierende Pest, die immer wieder in dem Band thematisiert wird, ist ein ständiger Begleiter im Stadtleben. Man ist hilflos angesichts des Schreckens und der Toten (so muss Jakob auch Gräber für Pestopfer ausheben), einmal mehr bleiben Gebete und die Reinigung der vermeintlich verpesteten Luft (u.a. durch Pestfeuer), eine Aufgabe, die auch den Nonnen zufällt. So entsteht ein realistisches Bild jener Epoche anhand eines Einzelschicksals, das konsequent geschildert wird. Ein Band ohne Actionszenen, mit einer starken dokumentarischen und fein recherchierten Note, der uns diese alte Zeit näherbringt, weder langweilig noch trocken. Die Zeichnungen des in München lebenden Paul Rietzl (seine SF-Graphic Novel „Shipwreck“ erschien im Rollenformat!), der inhaltlich von diversen Fachleuten unterstützt wurde, sind übrigens absichtlich in Schwarz-Weiß gehalten, weil die Farben vieler Dinge aus jener Zeit nicht überliefert sind.
Die Seiten bestehen weniger aus großformatigen Panoramen, sondern oft aus vielen kleinen Panels, die die Story transportieren und den Alltag Jakobs auch immer wieder ohne Worte zeigen, was den Doku-Charakter noch unterstreicht. Auf Grauflächen wird verzichtet und Rietzl gelingt es, mit teilweise skizzenartigen Zeichnungen viele Details zu zeigen, darunter – auch im Text – viel historisches Lokalkolorit. Daher ist es kein Wunder dass die Graphic Novel als erste Originalausgabe bei Bunte Dimensionen erscheint, ist der Verlag doch in Augsburg ansässig. Der Band trägt zwar die Nummer 1, eine Fortsetzung scheint aber nicht geplant. So werden wir Jakob bei seinem weiteren Lebensweg offenbar nicht mehr begleiten können. (bw)
Augburg 1521, Band 1
Text: Paul Rietzl u.a.
Bilder: Paul Rietzl
52 Seiten, Hardcover
Bunte Dimensionen
15 Euro
ISBN: 978-3-949144-16-5
