Die Mauer, Band 2 (Splitter)

August 25, 2021

Inzwischen wissen wir: Eden, das vermeintliche wie unerreichbare Paradies hinter der Mauer, ist in Wahrheit eine Hölle, bevölkert von leblosen, Zombie-artigen Kreaturen. Und der Job der dort noch lebenden (?) Menschen (und deren Maschinen) besteht demnach nicht darin, Eden gegen Eindringlinge zu verteidigen, sondern vielmehr zu verhindern, dass die sogenannten Cyberlinge einen Weg hinausfinden. All das wird Solal, der es als erster geschafft hat, die Mauer zu überwinden und der dort seine „Retterin“ Jen traf, nun langsam klar. Und damit wird es nun Zeit für einen Perspektivwechsel: In Rückblicken kredenzen uns die Macher Mario Alberti und Antoine Charreyon erste Infos über die Erschaffer Edens. Eine elitäre Gruppe, offenbar angeführt von Noah (ein passender Name), baute sich die Enklave, um dort zu leben. Unter einer künstlichen Sonne, in grüner Natur und dennoch hoch technologisiert, ohne Sorgen, während draussen die Welt dem Abgrund entgegen sah.

Noah ist offenbar ein Wissenschaftler. Und ebenso brillant wie gewissenlos. Mittellose Flüchtlinge wurden abgewiesen und getötet, auch das Schicksal seiner Assistentin Laura, die den Flüchtlingen beistand, war Noah letztendlich egal. Später, als Noah die Lebensqualität seiner Leute mit einem eingepflanzten künstlichen Energiespeicher noch weiter verbessern wollte und seine Kinder Janos und Jen als Versuchskaninchen benutzte, ging der Schuss gehörig nach hinten los. Was uns wieder in die Gegenwart führt, in der Solal und Jen, die für die Bewachung der Mauer verantwortlich ist, von den Cyberlingen verfolgt werden. Und draussen wartet derweil Solals kleine Schwester Eva, die sich mit dem Raubein B.a.s.t.a.r.d. herumschlagen muss, sehnsüchtig auf ihren Bruder und damit auf die dringend benötigt Medizin…

Auch im zweiten Band sind Leserinnen und Leser gefordert, denn es ist aufgrund von Sprüngen mitunter nicht immer einfach, der Story zu folgen. Hier gesellen sich nun noch die Rückblenden dazu und manchmal wird bei einzelnen Passagen erst im Nachhinein klar, in welcher Zeitebene und damit in welchem Zusammenhang diese spielen. Was wir noch nicht wissen sind die Beweggründe Noahs für die Realisierung seiner im Nachhinein gescheiterten exklusiven Arche-Idee namens Eden, in Verbindung mit dem wahnwitzigen Atlantropa-Projekt, das der deutsche Ingenieur Herman Sörgel 1928 tatsächlich entwickelte und das eine Trockenlegung des Mittelmeeres vorsah, um Energie und neues Land zu gewinnen. Noah scheint ein Genie zu sein, doch als er Gott spielen will (siehe auch der Titel des Bandes), fallen er und seine Gemeinschaft tief.

Anklänge an SF-Werke wie „Elysium“ sind damit weiter im Spiel. Dazu kommt die Mad-Max Atmosphäre außerhalb Edens, auf dem nun staubigen Grund des ehemaligen Mittelmeeres, wo die Gruppe um B.a.s.t.a.r.d. noch immer unablässig und unter großen Verlusten versucht, Eden zu stürmen, trotz der scheinbar übermächtigen Verteidigungs-Maschinerie namens Zerberus (auch der Name klingt jetzt passend, verhindert der gleichnamige mythologische Höllenhund doch, dass Tote aus der Unterwelt entkommen), die in Gestalt riesiger Roboter jeden Angriff scheinbar spielerisch und gnadenlos tödlich abwehrt (warum wissen wir ja jetzt). Zeichner Mario Alberti inszeniert das immer wieder actionbetonte Geschehen in einem locker-eleganten Strich, auch gerne über großzügige Hintergrundbilder, vor denen in kleineren Panels die Handlung spielt. Als Dreingabe gibt es Interviews mit Charreyon und Alberti. Mit dem kommenden Band 3 wird der Zyklus abgeschlossen. (bw)

Die Mauer, Band 2: Homo Homini Deus
Text: Mario Alberti, Antoine Charreyon
Zeichnungen: Mario Alberti
64 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96219-576-2

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