Kililana Song, Band 1 (Schreiber & Leser)

Dezember 12, 2012

Lamu ist eine Insel und eine alte Stadt an der Küste Kenias und seit 2001 sogar Unesco Weltkulturerbe. Dort lebt der elfjährige Naim. Manche sagen, er sei ein Straßenkind. Oder Gassenjunge. Lausbub trifft da eher zu. Naim schwänzt liebend gerne die Koranschule, sehr zum Missfallen seines Bruders Hassan, der ein gläubiger Moslem ist. Hassan jagt Naim deshalb gerne quer durch die Stadt, ein Running Gag im wahrsten Sinne des Wortes, der sich fast durch den ganzen Band zieht. So lebt der Junge gerne in den Tag hinein, hängt lieber mit seinem Kumpel Selim herum, besorgt für den alten Nacuda die Alltagsdroge Qat, zockt die einen oder anderen Touristen ab und lässt ansonsten alle Fünfe gerade sein.

Doch irgendetwas braut sich zusammen in Lamu. Da ist zum einen Kapitän Günter Vogels, dessen Schiff nach einem Motorschaden in den Hafen geschleppt wurde und der deshalb Hals über Kopf seine heiße Ware über Bord werfen musste. Dann ist da noch der Kokain süchtige Jean-Philippe und vor allem ein geheimnisvoller alter Mann, der an einem einsamen Ort namens Kililana über einen riesigen, heiligen Baum wacht. Und just dort tauchen Beamte der Baubehörde auf, um das Land für sich zu beanspruchen. Und nach und nach erkennt der geneigte Leser, dass die einzelnen Nebenschauplätze und –erzählstränge irgendwie miteinander verwoben sind. Schließlich macht auch Naim unfreiwillig die Bekanntschaft mit dem alten Mann und wird so in die Geschichte mit hineingezogen. Fortsetzung und Auflösung folgen im zweiten, abschließenden Band.

Eine Kindheit in Kenia, so der Untertitel. Mit leichter Hand und lockerem Humor erzählt. Wie Flao die Handlung im nächsten Band zusammenführt und auflöst, da sind wir gespannt. Einstweilen amüsieren wir uns königlich über den unbekümmerten Naim und seinem kindlichen Charme, der immer wieder seinem Bruder entwischt. Und sind besorgt über die aufziehenden dunklen Wolken, die bedrohliche Schatten auf seine kleine, heile Welt zu werfen drohen. Zeichnerisch gelingt Flao ein seltener Spagat. Seine Bilder sind nicht sonderlich filigran, bisweilen fast schon grob. Er beschränkt sich in seinen Darstellungen mitunter auf das Nötigste oder Wichtigste und arbeitet seine Panels nicht immer komplett aus. Und trotzdem schafft er damit atmosphärische Tableaus, was v.a. dem geschickten weil sparsamen Einsatz der Farben, den starken Charakteren und deren perfekter Mimik geschuldet ist. Dann verblüfft er mit ganz- oder gar doppelseitigen Ansichten und Perspektiven der Stadt und ihren engen Gassen, von Naims Haus, vom Hafen oder einfach nur des Meeres mit einem kleinen Segelboot. Die Örtlichkeiten der Stadt sind so genau getroffen, dass ehemalige Urlauber und Leser des Bandes verblüfft einzelne Häuser wie beispielsweise die Kneipe wieder erkennen, in der Naim eine Cola spendiert bekommt (Danke an Gigi für die Info).

Und so langsam aber sicher erkennen wir Leser, dass wir richtig Glück hatten bei der Wahl dieses Comics und dass wir da etwas ganz besonderes vor uns haben: Eine seltene Einheit von Text und Bild, sprich, ein richtig gutes Comic, erfrischend abseits vom Mainstream und dennoch zugänglich und hochgradig unterhaltsam. Hoffen wir, dass der abschließende zweite Band nicht zu lange auf sich warten lässt, aber geben wir Benjamin Flao die Zeit, die er dafür braucht. Denn schließlich soll es ja auf dem gleichen Niveau weiter gehen. (bw)

Text & Bilder: Benjamin Flao
128 Seiten in Farbe, Hardcover
24,80 Euro

ISBN 978-3-943808-01-8

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