Die letzten Tage von Stefan Zweig (Jacoby & Stuart)

November 17, 2012

Kriegsjahr 1941: Nach Stationen in England und den USA trifft der berühmte österreichische Schriftsteller Stefan Zweig auf der Flucht vor den Nazis in Brasilien ein. Mit dabei ist seine junge zweite Frau Lotte. Ihr Exil, Petropolis, ein europäisch geprägtes Städtchen vor den Toren Rio de Janeiros, entpuppt sich als Paradies, ein beschaulicher Ort, in dem das Paar unbeschwert leben und arbeiten könnte. Und doch sollte es die letzte Station ihres Lebens werden. Denn da ist der Schrecken des Krieges, dessen Schatten auch bis ins ferne Brasilien reicht. Nachrichten von den Gräueln in der europäischen Heimat lassen Stefan Zweig immer tiefer in melancholische Verzweiflung fallen, sein Lebensmut schwindet. Einer letzten Hingabe an die Freuden des Lebens, der Teilnahme am Karneval in Rio, folgt die Nachricht des Falls von Singapur an die Japaner und dann der finale Entschluss des gemeinsamen freiwilligen Endes.

Ein starkes wie edles Buch. Ein Comic über den unsäglichen Krieg, der auch hier, weitab vom eigentlichen Geschehen, das Leben bestimmt. Das Schicksal von Angehörigen und Freunden in der fernen Heimat ist unklar und doch redet man sich noch immer die Hoffnung ein, dass dort alle wohlauf sind. Bis Berichte über Massenmorde an Juden auch Petropolis erreichen. Wie kann man dann noch unbeschwert leben, wie und an was Freude empfinden? Wenn man, wie Zweig, gerade 60 geworden, eine andere Welt, ein anderes Wien erlebt hat, das er in „Die Welt von gestern“ beschreibt. Eine Welt, die für immer fort ist. Auch seine lebenslustige junge Frau Lotte, die einst seine Sekretärin war, kann seine Melancholie nur ansatzweise durchbrechen. Bis schließlich beide keinen Ausweg mehr sehen. Für Zweig ist es ein Ende, das sich lange und schleichend angebahnt hat, für Lotte ein eher schneller Entschluß, als auch sie ihre Träume, ihre Hoffnung zerbrechen sieht, in wenigen Monaten wieder in einem Wien zu sein, das so ist, wie früher.

So sind die letzten Seiten des Comics geprägt von starken und lieben Worten, von einem langsamen Auflösen in die Ewigkeit. Ein düsteres Ende, sparsam und hell in Szene gesetzt. Fade to white. Laurent Seksik schrieb bereits die Romanvorlage. Guillaume Sorel, von dem auf Deutsch schon lange nichts mehr erschien und der bei uns bisher bekannt ist für düstere Sujets (Mens Magna, Die Toteninsel – und er war sogar schon einmal in Erlangen auf dem Comic Salon) mag als Zeichner für einen Comic mit dokumentarischem Charakter überraschen. Doch seine direkt kolorierten Bilder sind zum niederknien schön und spiegeln zudem die Gemütsverfassung der Protagonisten ausgezeichnet wider. Die Farben sind gediegen, gehen oft ins Bräunliche und stehen im Kontrast zu dem vermeintlich bunten Brasilien, das man als Leser erwarten möchte. Im Krieg verblassen eben die schönsten Farben, auch wenn er am anderen Ende der Welt wütet. (bw)

Text: Laurent Seksik
Bilder: Guillaume Sorel
88 Seiten in Farbe, Hardcover, Halbleinen
24 Euro

ISBN 978-3-941787-78-0

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