Durandal, Band 1 (Splitter)

September 2, 2012

Was ein gescheiter Volksstamm ist, der hat seine eigene Heldensage. Unsereiner hält sich da an die Nibelungen, in denen Siegfried dem Drachen aufs Haupt haut und dann selbst von Hagen gemeuchelt wird, der Inselbewohner frönt seinem Beowulf, der einem gar fürchterbaren Monster den Garaus macht, und so weiter. Dem jeweiligen Helden steht neben Tatkraft, Wagemut und gerne mal Unverwundbarkeit oft auch eine magische Waffe zur Verfügung – was die PC-Gamer-Freunde als BFG kennen, die Big Fucking Gun also, die irgendwo im 30. Level wartet und alles platt macht, darüber lächelt der geneigte Sagenfreund nur. Odinson und Donnergott Thor schleudert seinen Hammer Mjolnir durch die Gegend (genialster Name aller Zeiten, nebenbei), König Artus und Magier Merlin lehren allen Feinden Albas mit Excalibur Mores, und – jaja, wir kommen schon langsam hin, nur Geduld – der Franke bzw. Franzose an sich braucht natürlich auch sein magisches Schwert, welches auf den Namen Durandal hört.

Durandal (oder gerne auch mal Durendal) gehört in den größeren Dunstkreis des Rolandsliedes, das Autor Nicolas Jarry hier allerdings nur als gröberen Bezugsrahmen nutzt. Der gewitzte Herr nutzt nämlich seine weidliche Kenntnis auch des nordisch-germanischen Mythologie-Raumes (schon bewiesen in seinen Werken Götterdämmerung und Odin) und verknüpft historische Figuren mit allerlei Sagen-Elementen, um seine ganz eigene Interpretation des Rolandsliedes darzubieten. Das fügt sich zu einer nicht immer ganz leicht zu verfolgenden historisch-epischen Story zusammen, in der im achten Jahrhundert Karl der Große sein Frankenreich gegen allerlei Invasoren verteidigen muss – da wären mal die Sachsen, die gleich zu Beginn in einer mächtigen Schlacht zwar geschlagen werden, aber um einen hohen Preis: der Markgraf der Bretagne Ambrosius kommt ums Leben. Sein Schwert Durandal, das einen entscheidenden Beitrag zum Sieg geleistet hat, gelangt dabei in die Hände der isländischen Edda (was ein cooler Name, na das kennen wir ja aus jedem Kreuzworträtsel, also da gibt’s nicht den Originalitätspreis dafür, Kollege). Ihres Zeichens Tochter der Chefin eines Frauenordens (Walküren ahoi, alles klar?) nimmt diese kühle blonde Schönheit das Schwert an sich, bis ein rechtmäßiger Besitzer gefunden ist (Excalibur lässt grüßen). Die Handlung entwickelt sich fortan parallel, einerseits erleben wir das Heranwachsen des jungen Roland, die Rangeleien der Herrscher der Provinzen Dumnonia und Cornouaille mit der Mark Bretagne, die sich gegenseitig das Leben schwer machen, als Graf von Quimper nach der Macht greift. Da kommen sie dann alle vor, der streitbare Erzbischof Turpin, neben Roland sein Freund Held Oliver, Gottfried von Anjou (der mit nur einem Schuh!), der kluge Ogier von Dänemark, der listige Graf Ganelon und die vielen anderen Ritter aus dem Frankenland. Das breitet Jarry in Teilen allzu akribisch aus, mit allen verwirrenden Zügen, die mich seinerzeit an mittelalterlicher Geschichte kläglich scheitern ließen (man erinnere sich, Papst, Gegenpapst, ja passt schon, rufsd emal an).

Andererseits gibt es dafür beeindruckende Schlachtengemälde von Illustrator Gwendal Lemercier, der mit Jarry schon bei Götterdämmerung zusammenarbeitete. In hauptsächlich erdigen Farben gehalten, entfaltet Lemercier mittelalterliches Schlachtengetöse mit teilweise heftig-realistischen Elementen, die aber buchstäblich Farbe ins Geschehen bringen. Der zweite Handlungsstrang stellt die Auseinandersetzungen innerhalb der Isenland-Frauen dar, die darum ringen, ob und wann man denn nun den rechtmäßigen Erben von Durandal heimholen solle. Genau das geschieht am Ende des ersten Bandes, als Edda den ebenfalls auffällig blonden Roland schlichtweg kidnappt und vor den Rat der Prophetin schleppt, wo er als „Sohn Odins, König der Nordmänner“ begrüßt wird.

Somit deutet Jarry mehr als deutlich an, dass er im weiteren Verlauf – das Epos ist auf vier Bände angelegt, wobei nach des Autors Worten dies nur der erste Zyklus sein dürfte – die Herkunft Durandals nicht zuletzt in der nordischen Welt suchen wird, was eine interessante Variation auf die übliche Erzählung darstellt, wo sich Karl und Roland mit den Sarazenen prügeln. Neben den genannten Komplexitäten und erzählerischen Längen dennoch ein feiner Band für alle Freunde historischer Großtaten, das der Splitter Verlag in gewohnt professioneller Manier präsentiert. Band 2 und 3 sind in Vorbereitung.

Und im Übrigen nennt sich auch eine ganze Serie von Küchengeräten Durandal, Grillpfanne und alles – passt irgendwie, bedeutet ja irgendwie was in der Richtung dauerhaft, unzerstörbar…das wäre doch mal eine Möglichkeit zum Cross Selling, wer das Hardcover kauft kriegt ein limitiertes signiertes Topf-Set dazu… (hb)

 

Text: Nicolas Jarry
Bilder: Gwendal Lemercier
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro

 

ISBN 978-3-86869-427-7


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