Schulausflug! Eine wilde Meute französischer Schüler fährt mit einem bärtigen Lehrer namens Maestro ins Grüne, um dort ein wenig die Natur zu studieren. Ein Wolkenbruch treibt die Gruppe vom lauschigen Lagerfeuer in eine Höhle, von wo aus man beobachtet, wie das Feuer vom Wasserdampf gelöscht wird, der schließlich herabregnet. Auf ähnliche Weise, so erklärt Maestro den staunenden Zuhörern, ist vor Milliarden Jahren (genauer gesagt vier bis fünf) auch die Erde abgekühlt, die ersten Ozeane entstanden und dort auch die Anfänge des Lebens: die Geißeltierchen und die erste mehrzellige Pflanze. Am nächsten Tag wandert die Menge weiter und lauscht begeistert den Erzählungen des Maestro, der die Urzeit lebendig werden lässt: von den ersten Reptilien bis hin zu den gewaltigen Dinosauriern, die die Erde für Jahrtausende beherrschen und dann vor 70 Millionen Jahren von einer Naturkatastrophe dahingefegt werden – was den Weg für die Säugetiere und schließlich den Australopithecus Robustus, den Urvater des Homo Sapiens, ebnet, der in Tansania lebt und sich von dort aus ausbreitet. Über den Homo Erectus geht es weiter bis hin zum Neanderthaler, zur Entdeckung des Feuers, des sesshaften Ackerbaus und des Faustkeils, immer weiter in Richtung moderner Mensch…
Neben Wickie, der Biene Maja und natürlich Captain Future gehört die Zeichentrick-Serie „Es war einmal… der Mensch“ zu den wohligen Kindheitserinnerungen einer ganzen Generation. Genauer gesagt flimmerte die Reihe, die 1978 in Frankreich unter dem Titel „Il était une fois… l’Homme“ entstand, hierzulande erstmals von Januar bis August 1980 über die Mattscheiben. Regisseur und Produzent Albert Barillé, der das Konzept ersann, schuf mit den 25 Minuten kurzen Episoden lehrreiche kleine Kapitel, die chronologisch die Geschichte der Menschheit nachzeichneten. In insgesamt 28 Folgen, bei denen im Vorspann (zumindest in deutschen Wohnzimmern) Udo Jürgens vielsagend „Tausend Jahre sind ein Tag“ schmetterte, spannte sich der Reigen von der Entstehung der Erde über historische Persönlichkeiten wie Ludwig XIV und Peter dem Großen bis hin ins 20. Jahrhundert. Der Rauschebart Maestro trat dabei nicht nur als Erzähler, sondern auch als Figur in den jeweiligen Geschichten auf, in denen auch andere Charaktere wie der tumbe Klotz oder das gerissene Ekel immer wieder auftauchten. Die Serie erfreute sich durchaus regen Zuspruchs und zog eine ganze Reihe von Spin-Offs nach sich, in denen es um Entdecker, unsere Erde oder das Leben an sich ging und jeweils das gleiche Prinzip – amüsante und lehrreiche Unterhaltung unter dem Motto „Es war einmal“ – vorherrschte.
Dieses Franchise nimmt nun Jean-Charles Gaudin wieder auf und lässt in Band 1 die Menschheitsgeschichte von den Anfängen bis zur Eiszeit an uns vorüberziehen. In der Rahmenhandlung machen die Schüler um Maestro allerhand Faxen und spiegeln sich ebenso wie ihr Lehrmeister selbst teilweise in den Figuren, von denen Maestro erzählt, wobei auch die Anzeige der jeweiligen Epoche in Form eines kleinen Rechners nicht fehlen darf. In den Zeichnungen von Jean Barbaud und Minte findet sich in den Binnengeschichten die gleiche eher reduzierte, standardisierte Gestaltung, die wir aus der TV-Serie kennen (die ebenso wie Captain Future, Wickie und Konsorten seinerzeit in Japan Form annahm), während die Rahmenhandlung etwas akzentuierter, aber immer noch im Funny-Stil daherkommt. Eine sehr schöne Hommage an eine Serie, die uns zahllose Vorabende versüßte – und bei der auch die Eltern wohlwollend zustimmten, immerhin konnten die Kleinen dabei etwas lernen, mehr zumindest als bei diesem seltsamen Weltraumheld mit seinen Androiden und dem fliegenden Gehirn. Während wir auf Band 2 warten, flüstern wir also wie weiland Udo im Titelsong: „Was ist Zeit…?“ (hb)
Es war einmal… der Mensch, Band 1: Die Urzeit
Text: Jean-Charles Gaudin
Bilder: Jean Barbaud, Minte, Afroula Hadjiyannakis
48 Seiten in Farbe, Hardcover
toonfish / Splitter Verlag
9,95 Euro
ISBN: 978-3-95839-965-5