Fell, Band 1 (Nona Arte)

August 27, 2011

Snowtown, die ‚Stadt der Verdammten’. Nur auf der anderen Seite der Brücke. Und doch eine andere Welt. Eine ganze Stadt wie ein Slum. Dort hat der Abschaum freie Hand. Kein Wunder, denn die Mordkommission besteht aus dreieinhalb Mann. Der halbe deshalb, weil er Prothesen statt Beine hat. Snowtown ist finster, selbst am Tag. Und dreckig. Ausgerechnet dorthin wird Detective Richard Fell versetzt. Angeblich sind hier in Snowtown die Aufstiegschancen größer. Wer’s glaubt. Denn auch Fell hat Leichen in Keller. Nur welche, wissen wir noch nicht. Nur, dass er alleine arbeiten will, ohne Partner. Was sein Chef Lt. Beard für verrückt hält. Doch das ist Beard selbst. Verrückt. Er nimmt dagegen Pillen und das nicht zu knapp. Trotzdem geht es manchmal mit ihm durch, so als er das Necronomicon liest, um Zauberer zu werden. Aber es gibt auch Normalos in Snowtown. Mayko zum Beispiel, die Besitzerin der Idiot’s Bar. Die jagt Fell zwar das Brandzeichen von Snowtown zu seinem Schutz in den Hals, ist aber sonst ganz ok. Der ganz normale Wahnsinn ist nun Fells Alltag.

Tja, und dann kommen noch seine Fälle dazu. Dabei sollte man wissen, dass in Snowtown nach Wasserleichen schon lange kein Hahn mehr kräht. Bei denen gibt es nicht einmal eine Untersuchung. Einfach weg damit, einäschern und gut. Oder die Dealer. Die nicht das Weite suchen, wenn ein Cop auftaucht. Oh nein, sie fürchten höchstens, dass der Cop Bullenrabatt will. Und dann ist da der Vater, der seiner Tochter etwas spritzt, um sie krank zu halten, damit sie nicht zu ihrer drogenabhängigen Mutter kann. Nein er spritzt ihr keine Drogen. Nein, viel schlimmer, viel abartiger… Fell weiß, er kämpft gegen Windmühlen. Aber er macht seinen Job, in dem er richtig gut ist. Fast ein kleiner Sherlock Holmes. Und ab und an scheint es ihm sogar Spaß zu machen. Wäre da nicht dieser schräge Typ mit Maske und Nonnenkostüm, der ständig auftaucht. Ob Band zwei da mehr dazu weiß, sollte er je erscheinen (siehe unten)?

Wenn man das so liest, ist ganz klar, dass Snowtown und seine Bewohner der perfekter Nährboden für die abseitigen Fantasien eines Warren Ellis darstellen. Seine Storys, seine harten und doch klugen Dialoge bilden eine großartige Synthese mit den düsteren Bildern von Ben Templesmith, der mit ‚30 Days of Night’ berühmt wurde. Man kann sich an seinen Zeichnungen satt sehen, zweifellos. Irgendwann war das mit seinen Vampiren auch gut. Das war dann nichts Neues mehr, zu eindimensional. Aber hier haben sich zwei Brüder im Geiste gefunden. Jedes Heft, bzw. jedes Kapitel enthält eine abgeschlossene Story, so wie es Ellis schon bei ‚Global Frequency’ hielt. Die Sache hat nur einen Haken: Die Reihe ist in den USA 2005 gestartet und umfasst bis heute neun Hefte (das letzte erschien schon im Januar 2008). Die deutsche Ausgabe des italienischen Verlags Nona Arte entspricht dem US-Tadepaperback und enthält nur die ersten acht. Und nu? War’s das?

Herr Ellis ist schuld. Denn sein PC hat bei seinem Abgang die Scripte für weitere Hefte mit ins Grab genommen (fast schon eine Ellis-Story für sich). Es soll aber weitergehen. Hoffen wir’s mal. (wg)

Text: Warren Ellis
Bilder: Ben Templesmith
144 Seiten in Farbe, Softcover
Nona Arte Verlag
14,90 Euro

ISBN 978-88-97062-30-1

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