Airborne 44, Band 1 (Salleck)

Februar 9, 2011

Kriegswinter 1944: Drei amerikanische GIs sind im heutigen Belgien hinter die bröckelnden deutschen Linien geraten. Luther Jepsen, den ein finsteres Geheimnis plagt, bei dem er tiefe Schuld auf sich geladen hat, besteht gegen jede Regel darauf, zwei jüdische Kinder vor dem sicheren Tod zu retten, indem man sie kurzerhand mitnimmt. Die Wanderung führt die ungleiche Truppe über das kriegsversehrte Land hin zum Bauernhof von Gabrielle, die sich alleine durchschlägt, seit Mann und Vater von der Wehrmacht zwangsverpflichtet wurden. Dicht auf den Fersen folgen die versprengten Deutschen der Waffen-SS, die einen Fahnenflüchtigen suchen, den das Schicksal und seine Wurzeln ebenfalls unweigerlich zu Gabrielle führen.

Eckart Schott ist erneut und wie fast schon gewohnt das Kunststück gelungen, ein Juwel auszugraben. Jarbinets einfühlsame Story besticht zunächst einmal durch unfehlbare Detailgenauigkeit: der als Berater hinzugezogene Historiker Philippe Gelain bestand nach eigenem Bekunden auf äußerster Akkuratesse – „Kein Abzeichen, keine Uniform, kein Fahrzeug, ja sogar keinen Knopf habe ich ihm erspart!“ Was sich denn auch in einer zweijährigen Entstehungszeit niederschlug, die sich allerdings allemal gelohnt hat. Aber Jarbinet ist weit davon entfernt, einfach nur ein großes, einem simplen Historismus verpflichtetes Schlachtenpanorama zu zeichnen, in dem die großflächigen Grausamkeiten sonderlich akzentuiert sind. Nein, ganz in der Tradition des historischen Romans wandern die Figuren zwar vor einer großen Kulisse, erleben dabei aber ein ganz eigenes, höchst persönliches Drama um Schuld, Sühne und die kleinen Inseln des Glücks, die zwar überhöht sind, aber zu jeder Zeit Gültigkeit haben. So wie man das bei guter Literatur halt macht, und die bietet dieser Band zweifelsohne. Der sicherlich nicht zufällig so benannte deutschstämmige Luther hat sich freiwillig gemeldet, weil er bei der guten Sache dabei sein möchte, differenziert dabei aber sehr genau: „Ich kämpfe nicht gegen ‚Die Deutschen’ generell, sondern gegen Nazideutschland…das sind zwei paar Schuhe. Wissen Sie, das alte Deutschland ist nicht das von Hitler und seiner Clique von bornierten Ariern. Nein, dieses Deutschland ist das von Dürer, von Beethoven… von Goethe, Schiller… Nietzsche, Hermann Hesse, Otto Dix… das von Lubitsch und Murnau…“ (wer die letzten beiden als Vertreter wahren deutschen Geistes nennt, der kann sowieso nichts mehr falsch machen). So geht es dann auch weniger um billige Polemik oder vordergründige Betroffenheit, sondern um höchst menschliche Szenen in einer höchst unmenschlichen Zeit. Fast, nur fast scheint es, als könne Luther dem allgegenwärtigen Grauen entgehen und so etwas wie Glück finden, aber das Schicksal holt ihn nicht nur in Form seiner Vergangenheit unbarmherzig ein. Der Titel von Band 2, „Für uns gibt es kein Morgen“, lässt erahnen, dass man auf keinen versöhnlichen Ausgang hoffen sollte.

Der Belgier Jarbinet, dessen Werk bislang Die Asche der Katharer oder die eingestellte Krimiserie Sam Bracken (beide Arboris) umfasst, hat in Airborne eine kongeniale Mischung aus Inhalt und Form gefunden: Das Persönliche, Individuelle steht im Vordergrund, gleichsam am Rande zieht der große Krieg vorüber (z.B. in einer Szene, als die Amerikaner einen Nachbarort bombardieren und eine B-52 von den Protagonisten beobachtet abstürzt). Das verpackt Jarbinet, der wie immer Story und Inszenierung gleichermaßen besorgt, in seine ganz eigene Interpretation des franco-belgischen Stils, die bei allem Realismus auch durch Stilisierung, Auslassung, teilweise vignettenhafte Ausschnitte eine individuelle Sprache spricht.

Dass dieses Werk von Eckart Schott nicht nur ausfindig gemacht, sondern auch wie immer auf höchstem Niveau eingerichtet, übersetzt und produziert wird, versteht sich ja fast von selbst. Band 2 erscheint demnächst. (hb)

Airborne 44, Band 1: Da, wo die Männer fallen…
Text & Bilder: Philippe Jarbinet
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Salleck Publications
12,90 Euro

ISBN 978-3-89908-357-6

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