Nuork, Band 1 (All Verlag)

Dezember 9, 2015

Nuork, Band 1 (All-Verlag)

Zukunft, nicht allzu fern: die Menschheit schafft es endgültig, sich selbst vom Planeten zu fegen, als Giftabfälle kurzerhand ins Meer gekippt werden. Die eigentlich für die Beseitigung zuständigen, offenbar mutierten Tiefsee-Wesen wollen sich das wohl nicht länger gefallen lassen, und so ist die Erde nicht lange darauf verödet, die Meere haben sich zurückgezogen, aus den einstigen Inselstaaten sind Bergmassive geworden, und durch die Steppen ziehen Horden von Menschen, die sich auf die Ebene ihrer Vorfahren aus grauer Vorzeit zurückentwickelt haben. Kaum mit Sprache und schon gar nicht mit den technischen Errungenschaften ihrer Vorgänger gesegnet, fristen die Stämme einen kärglichen Überlebenskampf, wie etwa die Horde des Anführers Thoz, die einem geheimnisvollen Schamanen mit dem vielsagenden Namen „Der, der weiß“ folgt. Dieser finstere Geselle entfernt sich regelmäßig auf ein Bergmassiv, auf dem die sagenumwobene Götterstadt Santiago zu finden ist, um sich dort angeblich überirdische Inspiration zu holen.

Als das von allen ausgestoßene, unerklärlicherweise in ihrer Mitte lebende Schwarze Kind hört, dass es nach der Rückkehr des Schamanen sterben soll, nimmt es sein Schicksal selbst in die Hand und folgt ihm kurzerhand. Auf dem verschneiten Bergplateau entdeckt das Kind nicht nur die Leiche des Alten, der sich dort oben offenbar nur mit Schnaps versorgte, sondern auch eine Wunderwelt, die es nur aus Sagen kannte. Nichts anderes als die eingefrorenen Reste der zerfallenen Zivilisation nämlich gibt es dort zu bestaunen, komplett mit Schiffswracks, Einkaufszentrum (in dem sich der findige Knabe denn auch in „Fell ohne Haare“, also Jacke und Hose, einkleidet) und einem Leuchtturm, in dem er zwei wundersame, blitzende Stäbe findet (die wir sogleich als Gewehre erkennen). Gestählt mit Kleidung, Waffen und dem nach guter Stammessitte vertilgten Hirn des Alten (wodurch, so der Glaube, Charakter und Kraft des Toten auf ihn übergehen) kehrt das Schwarze Kind Richtung Tal zurück, um die Führung des Stammes zu übernehmen. Dort wartet allerdings nicht nur ein Bär, den das Kind nach anfänglichen Angriffen gesundpflegt und als Freund gewinnt, sondern auch Thoz, der aufgrund einer Feuersbrunst mit seinem Stamm aufbricht in Richtung der sagenhaften Gegenden, in denen es reichlich Nahrung, aber auch jede Menge Seemonster geben soll, die in Form von riesigen Kraken auch an Land die Fährte aufnehmen…

Für seine antiutopische Endzeit-Story greift Olivier Vatine (u.a. Aquablue, Star Wars) auf einen Roman des französischen SF-Autors Pierre Pairault zurück, der sich unter dem Pseudonym Stefan Wul vor allem in den 50er Jahren einen Namen als Schöpfer von schmissigen Space Operas und Fantasy-Romanen zimmerte, darunter 1957 eben auch das postapokalyptische Epos „Niourk“ (der Titel der Vorlage schreibt sich interessanterweise leicht anders als die Adaption, aber beide weisen auf eine US-Metropole hin – wir dürfen gespannt sein). Pairault, der auch die Vorlage für die vielbeachteten Animationsfilme ‚Der phantastische Planet‘ und ‚Herrscher der Zeit‘(an dem Moebius mitarbeitete) lieferte, glänzte stets durch plastische, im besten Sinne farbige Beschreibungen und für das visuelle Medium prädestinierte Geschichten. So eignet sich auch „Niourk“ bestens für eine Adaption, in den Vatine immer wieder stimmungsvolle Farbinszenierung und großformatige, filmische Panels setzt.

Die Erzählung entfaltet sich durch einen inneren Monolog des mittlerweile gereiften Schwarzen Kindes, das seine Erlebnisse quasi aus der Rückschau berichtet und vieles besser versteht als sein jüngeres Ich (z.B. dass die seltsamen Gefäße in der Hütte des Alten wohl Schnapsflaschen sind). Das Motiv der verschneiten, zerfallenen ehemaligen Großstadt, das auch Terry Gilliam in ‚Twelve Monkeys‘ optisch wirkungsvoll einsetzte, die Grundidee der Öko-Katastrophe, die die Welt in einen Urzustand zurückwirft und der sich anbahnende Kampf mit den die geschundene Natur verkörpernden mutierten Kraken bringt so eine faszinierende Mischung aus Mad Max und dem Planet der Affen – basierend auf einer Vorlage, die diese Ideen lange vor ihrer kinomäßigen Popularisierung erdachte. Der All Verlag bringt die Saga in insgesamt drei Bänden im edlen Hardcover mit hübscher Optik als leicht mitgenommenes Taschenbuch – wie ein altes SF-Buch eben heute aussieht. Es existiert auch eine auf nur 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Schutzumschlag und vom Zeichner signierten Druck. (hb)

Nuork, Band 1: Das schwarze Kind
Text & Bilder: Olivier Vatine
nach einem Roman von Stefan Wul
56 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-92697-058-9

 

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