V-Wars, Band 1 (Cross Cult)

April 23, 2015

V-Wars, Band 1 (Cross Cult)

Vampire entspringen dem Reich der Legende, sie sind ein Volksmärchen, das Todesangst, Allmachtsphantasien und Sex wirkungsvoll zusammenbringt. Sie unterliegen dem Mythos nach einem alten Fluch, vertragen kein Sonnenlicht, vermehren sich durch Beißen und sehen aus wie Bela Lugosi oder Christopher Lee. Ehrlich? Von wegen. Dass das alles ein folgenschwerer Irrtum ist, das muss der Volkskundler Luther Swann zusammen mit der gesamten Menschheit feststellen, als das Schmelzen der Polkappen einen Virus freisetzt, der einen Teil des menschlichen Erbgutes mutieren lässt – und die Infizierten zu so genannten „Bloods“ macht. Die Vampire breiten sich rasend schnell aus und treten in allen Formen und Spielarten auf, von halbwegs menschlichen Erscheinungen bis hin zum krallenbewehrten Fledermausmonster.

Dass sich die verbleibende Menschheit das nicht mir nichts dir nichts bieten lässt, dürfte kaum überraschen, und so wüten bald die V-Wars, der Krieg zwischen Menschen und Vampiren – und mittendrin Luther Swann, der vom Mythosexperten an der Uni flugs zum Regierungsberater avanciert. Luther erkennt schnell, dass die Rollen hier keinesfalls so einfach verteilt sind, wie das manch einer gerne sehen würde: in den Reihen der Vampire sieht er nicht nur mordlüsterne Bestien, sondern mehrheitlich Zwischenwesen, die mit ihrer neuen Existenz kämpfen und einen Platz auf der Welt für sich verlangen. Gewalt provoziert Gegengewalt, und so bilden sich auf beiden Seiten radikale Gruppen, die die Gegenseite auslöschen wollen, die Presse hetzt mit Ausnahme weniger besonnener Stimmen wie etwa der Journalistin Yuki Nitobe, die die Aggression der Menschen hinterfragt. Luther gelingt es, den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses Conrad Holly zu einem Vermittlungsversuch zu überreden, der prompt darin endet, dass der Politiker von den Vampiren heimtückisch ermordet wird. Aber nur scheinbar – denn Swann erfährt von einem Informanten, dass der Mord von Menschen inszeniert wurde, die an der Ausbreitung des Krieges durchaus interessiert sind.

Swann, dessen kleine Tochter mittlerweile selbst infiziert ist und seine Frau und seinen Sohn getötet hat, wird der Spezialeinheit V-8, dem „Sonderkommando zum Schutz gegen vampiristische Unruhen und Terrorismus“, zugeteilt und hilft dabei, gewalttätige Zellen auszuheben. Zu dem Haufen harter Hunde unter der Führung von Big Dog, der lieber erst schießt und dann Fragen stellt, gesellt sich bald Taurus Harper, der sich schnell zum Vorzeige-Soldaten mausert: heldenhaft, effizient und dennoch voller Mitgefühl und Menschlichkeit. Gleichzeitig gewinnt der Kult der blutroten Königin immer mehr Zulauf, deren geheime Pläne zunächst im Verborgenen bleiben. Vollends eskaliert die Lage dann, als sich in Pepper Grove eine friedliche Vampir-Gemeinschaft niederlassen möchte und die Menschen dies keineswegs als Chance der Koexistenz, sondern als handfeste Bedrohung sehen. Anstelle des erhofften Dialogs entbrennt ein Gewalt-Exzess, der die V-Kriege erst richtig anheizt – und der dafür sorgt, dass Yuki Nitobe und auch Taurus Harper in gänzlich anderem Licht erscheinen…

Jonathan Maberry (Marvel Zombies) liefert mit ‚V-Wars‘ eine erfrischend andere Interpretation des Blutsauger-Stoffes: werden die modernen Vampire üblicherweise als zerrissene, getriebene Gestalten dargestellt (siehe etwa Paninis ‚Ich, der Vampir‘), nutzt Maberry die Mythologie zur offenen Behandlung von brandaktuellen Themen wie Rassismus, Fremdenhass, Terrorismus oder Hetze gegen Minderheiten (der Name des Virus I1V1 erinnert nicht umsonst an HIV). Wenig oder gar nicht kaschiert, erleben wir eine menschliche Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, mit etwas Fremdem friedlich zu koexistieren, in der liberale Strömungen von radikalen Kräften niedergemacht werden und die nicht zwischen gewalttätigen Einzelkräften und dem großen Ganzen differenziert. Die Vampire, die durch die V-Wars wandeln, sind dabei bisweilen menschlicher als ihre selbstsüchtigen und mordlüsternen Gegner, die offiziell als Helden abgefeiert werden. Andererseits machen die Fremdlinge allerdings auch wirklich bisweilen kurzen, brutalen Prozess, die Angst und Animosität gegen die vermeintlich friedlichen Mitbürger, die teilweise von Menschen nicht zu unterscheiden sind, erscheint in diesem Licht mehr als nur verständlich.

Noch differenzierter, treffsicherer und vielschichtiger kann man brennende politische Fragen, die unsere Realität bestimmen, nicht in Fiktion umwandeln: ist das Fremde per se gefährlich, oder machen wir es nur dazu? Wie gehen wir mit Bedrohung um, wenn sie teilweise real wird? Was macht uns zu Menschen, und wo beginnt das Monster? Fernab jeglicher platter Klischees entwickelt Maberry somit eine herausfordernde, unbedingt inhaltlich relevante Saga, die von Alan Robinson (Terminator, Star Wars) in teilweise heftig-blutrünstigen Panels stimmig umgesetzt wird – nicht umsonst ist das empfohlene Lesealter 16 und darüber. Aber eines ist ganz wichtig: neben allem inhaltlichen Tiefgang liefert ‚V-Wars‘ auch ein furioses, im positiven Sinne grauenhaftes Lesevergnügen, nach dem man sich die Fangzähne lecken sollte und das die hochwertige Horror-Kollektion von Cross Cult, wo ja auch ‚The Walking Dead‘ und ‚Hack/Slash‘ das Licht der deutschen Leserwelt erblicken, würdig ergänzt. Teil 2 folgt hoffentlich alsbald. (hb)

V-Wars, Band 1: Die blutrote Königin
Text: Jonathan Maberry
Bilder: Alan Robinson
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
19,80 Euro

ISBN: 978-3-86425-578-6

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