
Indien im 2. Jahrhundert nach Christus: im Wald von Dvaita wird eine Eskorte des Königs von Anga von Horden der Roten Königin Bhairavi überfallen. Unter den wenigen Überlebenden befindet sich ein alter Wanderprediger und der junge Hitzkopf Basvaraj, die gemeinsam in die Gefangenschaft verschleppt werden. Dort wird Basvaraj alsbald für eine ganz besondere Rolle auserkoren: die Rote Königin ist von unbändigem Begehren besessen, das bislang noch kein Jüngling stillen konnte – was jeweils in einem gewaltsamen Tod des unfreiwilligen Liebhabers endete. Als Basvaraj als nächster Kandidat ausgewählt wird, nimmt ihn der alte Prediger zur Seite und eröffnet dem staunenden jungen Mann ein ganzes Füllhorn von Techniken, mit der er der Aufgabe gewachsen sein sollte: niemand anders als Vatsyayana ist es nämlich, der Basvaraj in die Geheimnisse des Kamasutra einweiht.
Tatsächlich gelingt es Basvaraj, den hohen Ansprüchen der Kaiserin gerecht zu werden, die ihn zum Gefährten wählt und in ihre Armee beruft. Der König von Anga hingegen bleibt seinerseits nicht untätig: als ihn die Nachricht vom Massaker an seinen Truppen in Form eines kopflosen Leichnams erreicht, engagiert er den entmentschlichten Söldner Ghumann, um die Königin endlich zur Strecke zu bringen. Ghumann nimmt erfolgreich die Spur auf und lockt die Totenkopfarmee der Königin mit seiner eigenen Horde in einen Hinterhalt.
Dort kommt es zum Duell zwischen Ghumann und Bharavi, bei dem Basvaraj in letzter Sekunde eingreift und mit dem Söldner in den vermeintlichen Tod stürzt. Entgegen aller Erwartung überleben aber sowohl Ghumann als auch Basvaraj – während der Söldner unbemerkt weiter sein Ziel verfolgt, kehrt Basvaraj an den Hof der Roten König zurück, wo eine neue Herausforderung auf ihn wartet. Er soll nun auch die eifersüchtige Generälin und beste Freundin Bhairavis von seinen Fertigkeiten überzeugen – falls ihm dies nicht gelingt, soll er verstoßen werden…
Fast schon legendären Status genießt das Werk, das Vatsyayana Mallanaga vermutlich um 200 nach Christus verfasste: landläufig kennt man das Kamasutra, gerne hinter vorgehaltener Hand genannt, als Ratgeber zur zielorientierten Leibesübung. Wie stets in der indischen Kultur gehört allerdings deutlich mehr zu dem Werk, allerlei Philosophie ist ebenso in den sieben Teilen verpackt wie die Begleitung der Phasen einer Beziehung von Anfang bis zum Ende bis hin zu Reflektionen über den Sinn des Lebens an sich.
Damit also deutlich mehr als reine Schmuddelei, sondern eher in der Liga mit klassischen Werken wie die Ars Amatoria (wahlweise Amandi) von Ovid. Ebenso gekonnt setzt Sudeep Menon seine Adaption in Szene: keinesfalls eine wahllose Aneinanderreihung von Erotik, sondern vielmehr eine Storyline, die auch einem gewissen Cimmerier gut zu Gesicht gestanden hätte: Verrat, finstere Wälder, wilde Horden gegen die regierenden Mächte, eine Rote Königin, Totenkopfarmee – das alles könnte auch glatt eine Conan-Erzählung aus der Feder von Robert E. Howard sein.
Geschickt verbindet Menon die Abenteuerhandlung mit den eigentlichen Themen der Vorlage, woraus ein packendes Kompendium entsteht, in die sich die natürlich ebenfalls enthaltene prickelnde Erotik nahtlos einfügt. Ebenso gelungen ist die Gestaltung durch Laura Zuccheri, uns bestens bekannt durch das Fantasy-Epos „Die gläsernen Schwerter“: aquarellhaft-atmosphärisch entfalten sich die Panels, dräuend in den Dschungel-Szenen, ruppig in den Schlachten und durchaus eindrucksvoll-explizit auch in den Szenen mit zwischenmenschlichen Begegnungen. Und dass der alte Prediger einen jungen, durchaus von sich eingenommenen Heißsporn in Dingen belehren kann, derer er selbst nach eigenem Bekunden nicht mehr fähig wäre, das bringt sogar eine kleine Prise Humor hinein. (hb)
Kamasutra: Fleisch und Blut
Text & Story: Sudeep Menon
Bilder: Laura Zuccheri
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-68950-013-9