Der Narwal (Carlsen)

Juli 17, 2013

Der Narwal

Unser Sommeralbum. Und nein, es geht hier nicht um den Wal mit Stoßzahn. Aber Wasser ist trotzdem das tragende Element dieses Bandes. Narwal, Vorname Robert, heißt die Hauptperson, die hier agiert. Robert ist Berufstaucher. Ein absoluter Profi und einer der besten in dem Metier. Cool, besonnen und trotzdem ein junger Draufgänger, der seinen Job sichtlich genießt. Seine Aufträge, die zum großen Teil sein Boss/Manager und gleichzeitig herrischer Vater an Land zieht (mit dem passenden Namen Napoleon), sind äußerst vielfältig und stecken voll unverhoffter Abenteuer.

So schnappt er einem Konkurrenten ein geheimnisvolles Gerät weg, das nach einer Havarie auf dem Grund des Ozeans liegt. Er taucht – natürlich – auch nach einem alten, gesunkenen Schatzschiff, aber auch Tauchgänge mitten in der Wüste oder in der Arktis stehen auf seinem Programm. Inklusive unliebsamer Überraschungen. So findet er sich mitten in einer Mordserie wieder oder stößt unverhofft auf geraubte Nazis-Schätze. Ein Tauchauftrag findet sogar mitten in Paris statt. Viele der Abenteuer enden mit einem Plot-Twist, wie es sich für Kurzgeschichten gehört. Trotzdem ist Robert kein strahlender Held, bisweilen wird ihm übel mitgespielt, was er doch stets stoisch hinnimmt.

Genau. Kurzgeschichten. Es handelt sich hier nicht um eine durchgehende Story, sondern um abgeschlossene Episoden. Zehn Stück. Eine durchgehende Handlung fehlt, was gleichzeitig die Schwäche des Albums ist. Das Tauchen ist der rote Faden, ansonsten bleiben Charaktere und Umstände etwas blass und oberflächlich. Wie kommt es zum Beispiel zu der der kuriosen Vater-Sohn Beziehung? Wie zieht Vater Narwal die Aufträge an Land? Freilich, die Episoden sind gut durchdacht, extrem abwechslungsreich, pointiert und hochwertig präsentiert. Aber eine albumlange Geschichte würde dem Narwal nicht schaden. Sei’s drum, der Leser wird auf jeden Fall gut und kurzweilig unterhalten. Bei Kurzgeschichten muss es eben gleich in die Vollen gehen.

Und zeichnerisch? Beim Anblick des Covers kamen mir spontan diverse Unterwasser-Abenteuer der Minimenschen in den Sinn – und die Figur auf der ersten Seite sieht aus wie ein typischer Engländer, der einer Corto Maltese Reise entsprungen ist. Aber weder Pierre Séron noch Hugo Pratt eignen sich als Paten des Zeichenstils. Der ist erfreulich eigenständig. Sehr modern, mit einem Funny-Einschlag, was man besonders an den Gesichtern sieht. Obwohl nicht unbedingt detailliert, kommen die Panels sehr stimmig daher, was auch an den überlegten Kompositionen liegt. Wie eben das kleine Panel mit dem Pratt-Engländer und dem Schiff auf der ersten Seite. Oder sie Silhouette des übermächtigen Vaters (Seite 13). Ein schöner Titel für zwischendurch und vielleicht hat das Autorenteam ja Blut geleckt und tüftelt an einer albumlangen Geschichte. An Potential und Ideen sollte es nicht mangeln. (bw)

Der Narwal – Der Mann der Tiefe (Carlsen)
Text: Olivier Supiot
Bilder: Boris Beuzelin
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
19,90 Euro

ISBN: 978-3-551-78570-1

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