Bella Ciao, Band 1 (Edition 52)

März 11, 2021
Bella Ciao (uno) Edition 52

Autor und Zeichner Baru, der eigentlich Hervé Baruela heißt, ist der Sohn eines italienischen Einwanderers. Sein Vater wurde 1936 in Frankreich eingebürgert. Im Auftaktband dieses Mehrteilers beleuchtet Baru die Geschichte und auch die Schicksale italienischer Gastarbeiter und Einwanderer. Den Auftakt macht das Massaker an italienischen Salinenarbeitern im Jahre 1893 nahe der Festungsstadt Aigues-Mortes am Mittelmeer. Ein Konflikt mit den Franzosen eskalierte, an dessen Ende zehn tote Italiener standen. Der Prozess gegen die vermeintlichen Täter endete mit Freisprüchen aller Angeklagten. Szenenwechsel, Jahrzehnte später: zwei Cousins und Freunde unterhalten sich über das Titel gebende Lied „Bella Ciao“, über dessen Bedeutung und Tradition, auch innerhalb der Familie und v.a. über dessen Herkunft als vermeintliche Protest- und Partisanen-Hymne.

Wieder viel früher in einer anderen Zeit: Madame Martini erhält unangekündigten Besuch von zwei Herren aus der Provinz Ancona. Ihr Sohn Secondo soll in die italienische Armee eintreten und als Soldat dem Duce dienen. Doch Secondo denkt nicht daran, haut ab und beschließt sogleich, nun endgültig Franzose zu werden. Etwa die gleiche Zeit, auch irgendwo in Frankreich: italienische Kinder kehren von einem Zeltlager zurück und begrüßen ihre Eltern mit der Faschisten-Hymne Giovinezza. Nur der kleine Ezio Zampetti mag nicht mitmachen und wird dafür von seinem Vater gelobt. Jahre später wird Ezio im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco und die Faschisten kämpfen und 24-jährig fallen. Erst Jahrzehnte später kann sein Schicksal geklärt werden.

Der Band, in dem Baru seine Herkunft aufarbeitet, mutet ein wenig wie ein Themenabend auf Arte an. Dabei stehen die einzelnen „Beiträge“ für sich und hängen nicht zusammen, bis auf den gemeinsamen geschichtlichen Fokus auf die italienischen Einwanderer, wobei Ausgegrenztsein, Integration und Fremdenfeindlichkeit immer wieder große Rollen spielen. Beim Massaker in Aigues-Mortes zeigt Baru (u.a. „Die Sputnik Jahre“, „Wut im Bauch“, „Autoroute du Soleil“) in Schwarz-Weiß den Hass, der sich ungefiltert entlädt, was zu Chaos und purer Gewalt führt. Danach zeichnet er in gewohnt kräftigen Farben, als er die Herkunft von „Bella Ciao“ entlarvt, das durch die Netflix Serie „Haus des Geldes“ und als Sommerhit 2018 noch in aller Ohren ist. Ausführliche geschichtliche Abrisse, Liedtexte und v.a. der Abdruck des Einbürgerungsantrags seines Vaters bezeugen einerseits das tiefe persönliche Anliegen des Autors und sorgen daneben für einen dokumentarischen Touch.

Auch am Schluss wird es persönlich: Nun wieder in Schwarz-Weiß und in einem skizzenhaften, doch unverkennbaren lässigen und ausdrucksstarken Stil gehalten tritt Baru selbst auf, unvermittelt, nach der tragischen Geschichte um Ezio Zampetti, der als Italiener in Frankreich lebte und in Spanien starb. Der Band ist anders als die bekannten Werke Barus, natürlich persönlicher aber aufgrund seiner unterschiedlicher Episoden, in denen es zusätzlich noch Handlungs- und Perspektivwechsel gibt, auch unzugänglicher, v.a. für Leser, die Barus Werk nicht kennen. Wer Baru mag und dazu geschichtlich interessiert ist, kann hier sowieso bedenkenlos zugreifen und wird mit einem intelligenten, vielschichtigen und facettenreichen Werk belohnt, das Themen aufgreift, die leider noch immer brandaktuell sind. Der Band erscheint, wie auch die letzten Arbeiten Barus, wieder in der Edition 52. (bw)

Bella Ciao, Band 1
Text & Bilder: Baru
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Edition 52
20 Euro

ISBN: 978-3-948-75504-1

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