Hammer Hawthorne und die Black Hammer Squadron sind Kriegshelden. Allerdings der anderen Art. Im Gegensatz zu den strahlenden All American Boys and Girls der Liberty Squadron ist der Name Programm: Fliegerkommandant Hawthorne und seine Kollegen John Paul und Li sind das, was man heutzutage politisch korrekt eigentlich gar nicht mehr bezeichnen darf. Ihr Siegeszug durch die Achsenmächte ist beispiellos, und so betraut man die Heldentruppe mit einem Spezialauftrag. Hinter der feindlichen Linien in Wien wird ein Wissenschaftler mitsamt und kleinem Sohn festgehalten, um den Nazis in den letzten Kriegstagen wertvolle Hinweise für den Bau diverser Wunderwaffen und Raketen zu liefern. So machen sich unsere Helden der Lüfte in ihren Hammers auf Richtung Feindesland, wo sie allerdings mit Ansage in eine Zange geraten: auf der einen Seite ist der Ghost Hunter, ein geisterhafter Geschwaderkommandant der Deutschen, dessen einziges Ziel darin besteht, Allierte vom Himmel zu holen – und mit dem Hammer Hawthorne noch eine persönliche Rechnung offen hat.
Und dann ist da noch die Red Tide, die sowjetische „experimentell mechanisierte Einheit 006“ unter der Führung von Sergeant Aleksandra Nazarova: gewaltige gepanzerte Kampfmaschinen, die unaufhaltsam ihrerseits Richtung Wien marschieren. Über dem Feindesland werden Hawthorne und seine Kollegen zunächst von Trugbildern attackiert und dann auch noch von der blutrünstigen Fledermaus angegriffen, einem mutierte Nazi-Superhelden mit Flugkräften. Kurz vor Wien trifft man dann auf niemand anders als Abe Slam, der als glorreicher Kämpfer für die Allierten streitet, sich aber lieber um kapitulierende Deutsche als die Mission der Black Hammers kümmert. Die marschieren weiter, bis es im Gefangenenlager nahe Wien zum Showdown zwischen der Hammer Squadron, dem Ghost Hunter und der Red Tide kommt…
Im mittlerweile fünften Ableger seines fulminanten Hammerverse liefert Jeff Lemire eine gekonnte Hommage an sämtliche Golden-Age-Helden, die im Krieg ihren Mann und ihre Frau standen, am prominentesten vertreten natürlich im allseits beliebten Nazi-Smasher Captain America, der mit kantig-kompromisslosen Gutmenschen Abe Slam ein wuchtiges Denkmal erhält. Die Black Hammers erscheinen dabei als bewusster Gegenentwurf zu den gefeierten weißen Helden, gegen die ihre farbigen Mitkämpfer, deren Einsatz natürlich genehm war, oft zurückstanden. Ebenso wie die Allierten haben auch die Deutschen ihre Meta-Wesen: der Ghost Hunter gerät zu einer geisterhaften Version des Roten Barons Manfred von Richthofen, die Fledermaus erinnert an den grimmen Man-Bat, und der KZ-Chef gemahnt in Gestalt eines Werwolfs an die unseligen Wolfsrudel und –geschwader der Nazis.
Die russische Red Tide schließlich wirkt fast ein wenig wie eine krude Vorform der Jäger aus Guillermo del Toros Monsterspektakel „Pacific Rim“, wobei die Todesverachtung der Anführerin den Gegenpol zur eiskalten Präzision des Ghost Hunters bietet. Auch optisch liefert der Band wieder einen absoluten Leckerbissen: Matt Kindt („Dept. H“, bei Hinstorff) gestaltet die Panels im klassisch-nostalgischen Look eines Golden Age-Kriegscomics, kombiniert mit dynamischen, rasanten Inszenierungen von Maschinen und Flugzeugen, für die er sich, wie im ausführlichen Anhang beschrieben, von Klassikern wie „Enemy Ace“ von Alex Toth und Joe Kubert inspirieren ließ. Garniert mit einigen optischen Zitaten (wie etwa Steve McQueens berühmtem Sprung per Motorrad über den Stacheldrahtzaun in „Gesprengte Ketten“) und durchweht von einem wehmütigen Flair, fügt sich auch dieses abgeschlossene Kapitel ganz wunderbar ins immer weiter wachsende Universum von Black Hammer. (hb)
Black Hammer ‘45
Text: Jeff Lemire, Ray Fawkes
Bilder: Matt Kindt
120 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-96219-433-8