James Bond 007, Band 5 (Splitter)

Januar 24, 2018

Kriegsschauplatz Internet: Hacker haben diverse Großrechner in Großbritannien angegriffen und jede Menge Daten erbeutet. Dabei geht es keinesfalls schnöde um Bankkonten oder Kreditkarten, sondern um persönliche Nachrichten, Bilder und Emails von diversen hochrangigen Beamten, Militärs und Industriellen. Quasi die Art von Schmutzwäsche, die nur dank der digitalen Welt gewaschen werden kann und sich vorzüglich für Erpressungen aller Art eignet. Das kann natürlich nicht angehen, und so setzt M den so gar nicht online-affinen Bond auf die Sache an. Die Eierköpfe beim MI-6 konnten die Attacke zumindest bis zu ihrem Ausgangsort zurückverfolgen: die Angreifer sitzen wohl irgendwo in Tokyo, genauer gesagt im Stadtviertel Shinjuku. Dort residiert der Internet-Gigant Saga Genji, dessen Computerspiele, Smartphones und Social Media-Portale nicht nur der Datenpiraterie verdächtigt werden, sondern auch der Yakuza in die Hände spielen.

Bond nimmt die Spur der verschwundenen Daten, der Einfachheit halber „Black Box“ genannt, in einem illegalen Casino auf, wo er denn auch prompt auf Genji trifft. Der durchschaut den Auftrag von 007 sofort und reagiert äußerst ruppig: kurzerhand wirft er Bond in einen gewaltigen Tank mit Haien, aus dem ihm eine mysteriöse Holde die Haut rettet. Selah Sax, so der Name der tatkräftigen Dame, kam Bond schon kurz zuvor bei einem Auftrag in Frankreich in die Quere: als Mitglied der höchst geheimen Gruppe 13 ist sie zwar angeblich tot, räumt aber nach wie vor überall da Leute aus dem Weg, wo man sich offiziell nicht die Hände schmutzig machen will. Als Genji erkennt, dass sein Gegner doch mächtiger ist als vermutet, engagiert er den Krieger No Name, der unter einer Totenmaske versteckt geschickt Feinde ausschaltet. Aber auch dieser Versuch geht bei einem Sumo-Ringkampf gehörig schief, und auf der Flucht greift Frau Sax unserem Agenten wieder mächtig unter die Arme. Bond schafft es derweil, Genji einen Peilsender anzuheften, der die beiden Jäger schließlich nach Aokigahara führt, dem versteinerten Wald nahe dem Fuji, der in Japan von Selbstmördern bevorzugt wird. Aber nicht in dieser geisterhaften Kulisse, sondern am Ort der größten japanischen Tragödie der letzten Jahre kommt es schließlich zum Showdown…

Benjamin Percy (u.a. auch „DC Rebirth: Green Arrow“) liefert in seinem Beitrag zur Bond-Reihe aus dem Hause Dynamite eine treffend aktualisierte Version, in der 007 sich mit der Welt des online-Verbrechens konfrontiert sieht, die so gar nicht sein Zuhause ist: der Techniker Boothroyd (der hier die Funktion des Q übernimmt) muss ihn erst mit Smartphone und anderen Raffinessen ausstatten, während Bond protestiert, er gehe lieber in den Pub und treffe Leute direkt, als Emails zu schreiben (offenbar hat Bond seine Begegnung mit der Welt der Hacker erfolgreich verdrängt, die ihm Andy Diggle in „Hammerhead“ doch erst vermachte). Auf seinen heiß geliebten Aston Martin muss er allerdings doch nicht verzichten, der dann standesgemäß mit einigen schicken Extras ausgestattet ist. Mit der geheimnisvollen Selah Sax, die früher undercover dreckige Aufträge der Regierung ausgeführt hat und jetzt auf eigene Faust agiert, ruft Percy dazu noch eine elegante Variante der Task Force X, auch genannt Suicide Squad, auf den Plan.

Die limitierte Edition mit Zusatzseiten

Vor allem aber charakterisiert Percy den guten alten Bond einmal mehr als charakterlich zuerst durchaus fragwürdigen Antihelden, der durch weidlichen Konsum von Damen und Bourbon (anstelle von feinen Wodka Martinis) nur seine innere Kälte überspielt: „Er mag den Mund zu einem Lächeln verziehen, seine Haare perfekt frisieren und Maßanzüge tragen… aber wenn man sein Gesicht sieht, weiß man, dass er innerlich tot ist. Er ist nur Oberfläche. Eine lebende Maske“, sinniert Genji über seinen Widersacher und stellt ihn damit in direkte Nähe zum gesichtslosen Killer No Name, aber auch zum japanischen No-Drama, in dem die Akteure stets maskiert auftreten und symbolische Charakterzüge anstelle individueller Züge darstellen. Aber Bond macht im Verlauf der Dinge ohne Zweifel klar, dass er alles andere als ein eiskalter Auftragssoldat ist: den Vorwurf von No Name, er sei „hohl“ (und damit einer der modernen, moral- und wertefreien „Hollow Men“, die T.S. Eliot beschwor und die Marlon Brando als grummelnder Colonel Kurtz im Dschungel murmelnd zitierte), weist Bond zurück: äußere Narben heißen noch lange ist, dass man innen tot ist. So kommen ihm gehörige Zweifel an seiner Mission, als plötzlich alle Großmächte das gewaltige Potenzial der Black Box für sich erkennen und die Daten zur heiß begehrten Beute aller Agenten werden.

Neben dieser somit durchaus vielschichtigen Charakterisierung marschiert Bond durch zahlreiche set pieces aus seiner Filmhistorie, angefangen von der pre-credit-Scene, deren explosive Verfolgungsjagd auf Skiern ebenso im Schaufenster endet wie schon in „For Yor Eyes Only“. Mit Haien durfte sich Bond seit „Thunderball“ diverse Male herumschlagen, ebenso sein Kompagnon Felix Leiter („Licence To Kill“), der nach seinem Spin Off auch hier einen nicht ganz positiven Gastauftritt absolviert. Japan selbst schließlich diente schon für den Klassiker „You Only Live Twice“ als Setting – insgesamt entsteht somit eine in den filmischen Kontext eingebettete, aktualisierte und charakterlich scharf gezeichnete Version von 007, die auch optisch in der Feder von Rapha Lobosco zeitgemäß und vor allem filmisch erscheint, mit großflächigen, gerne auch wortlosen Action-Panels. Eine weitere bestens gelungene Erweiterung des Bond-Kosmos also, der im April 2018 mit „Kill Chain“ und dann im September 2018 mit einer Adaption von „Casino Royale“ in die nächsten Runden geht. (hb)

James Bond 007, Band 5: Black Box
Text: Benjamin Percy, nach Ian Fleming
Bilder: Rapha Lobosco
152/176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22,80 Euro (reguläre Edition)
34,80 Euro (limitierte Edition), 1007 Exemplare

ISBN: 978-3-96219-061-3 (reguläre Edition)
ISBN: 978-3-96219-062-0 (limitierte Edition)

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