Evil Road (Splitter)

Juli 5, 2017

Irgendwo in Kalifornien. Die beiden Zwillingsbrüder Helias und Helis, ihres Zeichens rüstige Senioren, erfüllen sich einen Traum. Sie bergen auf dem Grund eines Sees ein altes Autowrack, ein Ford T-Modell (auch „Tin Lizzie“ genannt), restaurieren es in mühevoller Kleinarbeit und machen es wieder fahrtauglich. Einmal quer durchs Land soll die Reise mit dem und den Oldtimer(n) gehen, mit New York als Ziel. Doch es kommt anders. Ganz anders. Auf dem Weg nach Las Vegas kommt man einem menschlichen Bedürfnis nach und pinkelt an einen alten, vermeintlich ausrangierten und an der Straße zurückgelassenen Abschleppwagen (für Puristen: einen Ward Lafrance G116, der auch von der US-Army genutzt wurde). Als die beiden Herren ihre Reise durch die Wüstenei Kaliforniens gemächlich fortsetzen wollen, erwacht das Ungetüm wider Erwarten zum Leben. Mehr noch: es scheint es regelrecht auf Helias und Helis abgesehen zu haben, verfolgt und schneidet den Ford T, rettet ihn und seine Passagiere dann aber aus einer Treibsand-Falle. Jedoch nur um immer wieder bedrohlich aufzutauchen und schließlich an einer Tankstelle ein Inferno zu entfachen. Dann droht den Brüdern das Benzin auszugehen und ihnen bleibt nichts übrig, als sich dem Kampf gegen den monströsen Abschlepper, bzw. dessen Fahrer zu stellen…

Jetzt mag v.a. Filmfreunden diese Inhaltsangabe verdächtig bekannt vorkommen. Genau – 1971 setzte ein junger Steven Spielberg diesen Stoff in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm, der ursprünglich für das Fernsehen gedreht wurde, um. „Duell“ hieß der Streifen, in dem ein Geschäftsmann von einem schwarzen, rauchenden Tanklaster verfolgt wurde, ebenfalls mit anonymem Fahrer. Auch hier kam es zum Showdown, David stellte sich gegen Goliath. „Evil Road“ kann man getrost als Dominique Monférys Hommage an jenen frühen Spielberg-Klassiker sehen. Wobei er einige Dinge verändert. Zum einen ist man auf der Seite der Gejagten zu zweit, zum anderen wechselt er die Automobile aus: Ein vermeintlich klappriger, dann aber doch sehr zäher Oldtimer statt des Plymouth (für seinen Zweiteiler „Tin Lizzie“ setzte Monféry das Ford T-Modell bereits in Szene, wenn auch ungleich zahmer) und den Tanklaster ersetzt ein sperriger, mächtiger Abschleppwagen. Die beiden Zwillinge bringen einen Hauch Buddy-Movie mit in die Handlung. Sie zanken und kappeln sich, halten dann aber in Not zusammen wie Pech und Schwefel. Naturgemäß wird daher auch mehr gesprochen als im Film. Ansonsten holt Monféry wie einst Spielberg den Horror auf die Straße ins helle Tageslicht. Und der Truck wirkt dabei ebenso diabolisch auf den Leser wie der Tanklaster seinerzeit auf die Kinogänger.

Duell in der Sonne

Der Band beginnt ohne Worte. Die Brüder bergen das Auto und restaurieren es. Erst als man unterwegs ist, setzen die Dialoge ein (gleich mit dem Satz, der das Drama auslöst). Die massiven Action-Sequenzen und ungleichen Verfolgungsjagden sind filmisch fulminant, mit großer Dynamik inszeniert, wobei die Szene, als die Zwillinge Benzin vom fahrenden Laster abzapfen wollen, schon wieder an die apokalyptische Hatz in „Mad Max“ erinnert. Sie spielt nachts und die einzigen Farbtupfer sind die roten Rückleuchten des Trucks, die das ohnehin hochgefährliche Unterfangen in ein bedrohliches Licht tauchen. Der Abschlepper als Monster, seelen- wie gnadenlos, mit nur einem Ziel: die Zwillinge zu töten. Dann, nach einem erneuten Action-Highlight, als sich Helias und Helis genug drangsaliert ihrem vermeintlichen Schicksal stellen, ist der Spuk vorbei. Die Aufklärung, die nur kurz und knapp präsentiert wird, interessiert dabei nur am Rande und trägt auch nicht wirklich zur Entmystifizierung des Fahrers bei. Was auch gut so ist. So präsentiert sich „Evil Road“ als ein knackig fieser Einzelband, kurz und bündig, der jederzeit einen diebischen und schauerlichen Spaß bereitet. (bw)

Evil Road
Text & Bilder: Dominique Monféry
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-544-2

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