Agent Alpha Gesamtausgabe, Band 1 (Comicplus)

Juni 8, 2017

Nein, bei Agent Alpha handelt es sich nicht um den gleichnamigen Raumagenten in irdischer Mission (wer erinnert sich noch?). Alpha ist ein CIA-Agent, hier noch am Anfang seiner Karriere, der zwischen 1997 und 2010 in insgesamt zehn Alben auf Deutsch seine heiklen Polit-Thriller Abenteuer bestritt. Wie beim Verlag Comicplus üblich, werden ältere Serien in hochwertige Hardcover-Gesamtausgaben gepackt, die jeweils in einer einmaligen Auflage von 1000 Exemplaren veröffentlicht werden (siehe auch unsere Besprechung von „Giacomo C., Band 3“ und „Hopfen und Malz, Band 2“). Nun bekommt also auch „Agent Alpha“ seine überfällige Gesamt-Edition, von der der erste Sammelband aktuell vorliegt.

Wir befinden uns in der Mitte der 90er Jahre, nach dem Ende des Kalten Krieges. Ein noch junger und unerfahrener Alpha wird quasi als Romeo-Agent auf die attraktive Russin Assia Donkowa angesetzt. Die Dame ist Galeristin in Moskau und gerade beruflich in Paris unterwegs. Angeblich. Denn ihre eigentliche Mission, von der Alpha anfangs keine Ahnung hat, ist eine ganz andere: sie soll Rubel verkaufen. Gegen Dollars. 8 Milliarden Rubel, die fast eine halbe Milliarde Dollar erlösen sollen! Das Geschäft, die Devisen-Beschaffung, ist natürlich höchst illegal und riskant und der Geschäftspartner – ein deutscher Bankier – dubios. Und während Alpha versucht mit Assia anzubandeln, geht der Verkauf nicht nur schief, er artet in ein Fiasko aus, bei dem zehn Menschen sterben und Assia nur knapp die Flucht gelingt. Jetzt gibt es ein gravierendes Problem: das Geld ist weg. Wer hat es? Die Deutschen? Die Russen? Die Mafia? Oder eine weitere, unbekannte Gruppe? Viele Köche verderben den Brei und so finden sich Alpha, der auf Geheiß seiner Vorgesetzten nach Moskau reist, und Assia in einem mörderischen Gewirr von Geheimdiensten und Organisationen wieder und versuchen dabei irgendwie die Fäden in der Hand zu halten und zu überleben.

Der Band umfasst die ersten drei Alben, die zusammen eine abgeschlossene Geschichte bilden. Im Auftakt wird der Leser clever in die Geschichte hineingezogen. Denn weder Assia wurde von ihrem Mann – einem hochrangigen russischen Geheimdienst-Offizier – in die Hintergründe eingeweiht, noch Alpha von seinen Vorgesetzten in Bild gesetzt. Beide sind Spielbälle im Geschehen, das sich nach und nach entwickelt und sich in einer dichten Handlung entfaltet. Erst nach der in einer Katastrophe endenden Geldübergabe ändert sich das. Alpha wird nun umfassend von seinen Oberen informiert, begreift die Zusammenhänge und Assia ahnt, dass ihr Mann ihr so einiges verschweigt und sie als bestenfalls willfähriges Werkzeug benutzt hat. Und sie ging gedankenlos darauf ein. Nun wird innerhalb der rivalisierenden Parteien intrigiert und Macht demonstriert: Der russische Finanzminister wird ermordet und der Bogdanov Clan bringt den Junior-Chef, den perfiden wie psychopathischen Igor, in Position, der wiederum mit Assia befreundet ist, gegenüber der er seine wahre Identität verschweigt. Bald scheint es fast, als jagen alle einem phantomgleichen Malteser Falken hinterher, ehe das Ende eine überraschende und umfassende Aufklärung beschert.

Alpha zeigt Assia Paris

Verantwortlich für die wunderbar dichte und komplexe Story, die dem Leser Aufmerksamkeit abfordert und dabei Spannung wie Action nicht vermissen lässt, sind zwei Autoren. Der Belgier Pascal Renard schrieb die ersten beiden Bände, ehe er überraschend 1996 im Alter von nur 35 Jahren verstarb. Sein Nachfolger wurde Mythic, der eigentlich Jean-Claude Smit Le Bénédicte heißt und der auch den Semi-Funny „Rubine“ für Francois Walthéry schreibt. Mythic führt die von Renard begonnene Story nahtlos fort und sollte bis zum neunten Album die Geschicke Alphas lenken, ehe Zeichner Juri Schigunow auch die Story übernahm. Insgesamt erschienen zehn Bände bei Comicplus, im Original bei Lombard sind es aktuell 13, wobei dort inzwischen auch ein Zeichnerwechsel erfolgt ist – denn Schigunow setzt nun den Bestseller „XIII“ in Szene (und wird bei Carlsen „Jigounow“ geschrieben). Der Russe, der 1967 in Moskau geboren wurde, hat eine erstaunliche Comic-Vita aufzuweisen: als Nobody stellte er sich, auf eigenes Risiko aus Moskau angereist, dem Verlag Editions du Lombard in Brüssel vor, im Gepäck die Seiten für ein erstes Album („Kriwtsows Briefe“, ebenfalls bei Comicplus als Einzelalbum erschienen) und wurde vom Fleck weg engagiert!

Schnell mauserte sich „Agent Alpha“, seine erste Serie zum Erfolg, was zu gleichen Teilen der intelligenten Story und den akribischen, realistischen Zeichnungen zu verdanken ist. Dass Schigunow für William Vance „XIII“ übernahm, ist nur schlüssig, sind die Zeichenstile der beiden doch eng miteinander verwandt. Und noch mehr als Vance arbeitet Schigunow detailversessen seine Panels bis ins Feinste aus. „Agent Alpha“ ist ein hochgradiger Thriller in faszinierenden Bildern und jeder, der die Alben seinerzeit verpasst hat, kann nun mit der Gesamtausgabe zuschlagen und seine Comic-Lücke schließen. Also Bonus enthält der Band einen kleinen Sekundärteil mit diversen Abbildungen (u.a. Cover-Entwürfe und Ex-Libris), sowie zwei älteren Schigunow-Interviews, in denen der Russe seinen Werdegang und seine Anfänge im Comic-Business schildert. (bw)

Agent Alpha Gesamtausgabe, Band 1
Text: Pascal Renard, Mythic
Bilder: Juri Schigunow
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Sackmann und Hörndl
34 Euro

ISBN: 978-3-89474-297-3

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