Red Skin, Band 2 (Splitter)

April 6, 2017

Vera Jelnikoff ist Russin. Eine Elite-Spezialagentin und –kämpferin. In allem, was tötet, bestens ausgebildet, aber in Sachen Lebensweise beim Klassenfeind ein völlig unbeschriebenes Blatt. Denn jetzt, hier in Los Angeles, wir schreiben das Jahr 1979, heißt sie Alabama Jane. Ihr Auftrag ist es, als Superheldin „Red Skin“ die faschistisch-religiöse Bewegung der fanatischen Pastorin Jackie Core zu torpedieren. Der Grund: Jackie Core kandidiert auch für das Amt der Gouverneurin Kaliforniens und könnte dann – die Wahlen stehen in wenigen Wochen an – zur Gefahr für das Zustandekommen des SALT Abkommen zwischen den USA und der UdSSR werden, das eine Abrüstung beider Supermächte vorsieht und von den Russen durchaus angestrebt wird.

Doch zuerst bekam sie es am Schluss von Band 1 mit dem Zimmermann zu tun, der radikalen ausführenden „Gewalt“ von Jackie Core, dem Mann fürs Grobe. Wenn Red Skin die Superheldin ist, ist der Zimmermann der Superschurke. Mit Müh und Not, sowie mit List und Tücke besiegt sie zum Auftakt von Band 2 den Unhold, der auf dem Meeresgrund landet und fortan als tot gilt. Was er natürlich nicht ist, vielmehr soll er Frau Core als Geheimwaffe in ihrem religiösen Fanatismus dienen. Indessen werden die Dinge für Vera, alias Alabama, alias Red Skin, nicht einfacher. Ihr Job, von ganz oben vom KGB befohlen, ist es, Sympathien für sich zu gewinnen, um eine Gegenbewegung zu Jackie Cores verbohrten Anhängern zu bilden. Doch Vera will eigentlich nur die Dame selbst zur Strecke bringen und interessiert sich nicht für die Politik. Und obendrein soll sie – warum auch immer – weiter als ungeschickte Assistentin des Pornoproduzenten Lew Garner dessen Haushalt führen, wo sie doch viel lieber selbst vor die Kamera treten würde…

Herrlich verkehrte, schlüpfrige Welt: da kommt eine Dame aus dem finsteren Rußland, dem kommunistischen Reich des Bösen im Kalten Krieg und soll die Amis als Superheldin auf den Rechten Weg führen. Ausgerechnet. Der Band ist am besten, wenn er geschickt mit dem konservativ religiösen Wahn und der Prüderie der Amerikaner spielt, indem er überspitzt und parodistische eben diesen den Spiegel vorhält. Die Amis sind entweder fanatisch (Jackie Cores Bewegung), desinteressiert (die Polizei) oder gleichgültig (der Rest). Ausgerechnet das kleine Häuflein der Pornofilmer aus der Schmuddelecke soll das Heil bringen und all dem dagegen halten. Vera ist dabei die naive Unschuld vom (Kommunisten-) Lande: stets freizügig findet sie keinen Sex-Partner (schöner Running Gag), obwohl sie sich doch so gerne mal „ablenken“ würde. Und die Amis, so lernt sie von ihrem „Führungs-Offizier“ Ruslan, können immer Fastfood essen (weitere typisch amerikanische Eigenschaften: Kredite aufnehmen, Ernussbutter vertilgen und Schuhe kaufen…). Klischees und Naivität allenthalben, die als wunderbare Dreingaben zur Story funktionieren.

Red Skin: Steckt ein und teilt aus

Wunderbar auch die Szene im Comicladen: Auf Geheiß Ruslans soll Vera Superhelden-Comics lesen, um in ihre Rolle zu finden und zu verstehen, was ein amerikanischer Superheld eben so tut. Natürlich marschiert sie im Red Skin Outfit ein, natürlich bombardieren sie die Nerds mit „wertvollen“ Tipps (Stichwort Ditko-, Buscema-, und Kirby-Ausgaben) und sind völlig hinüber, als sie nach Comics mit mehr Sex-Inhalten verlangt (schöner Meta-Gag und gelungen Spitze auf das amerikanische Strampelhosen-Genre). Inszeniert wird der Band vom Amerikaner (auch das passt zum parodistisch-ironischen Gesamtbild) Terry Dodson, der sonst in der Welt der Superhelden zuhause ist und als einer der wenigen US-Zeichner den Sprung in den franko-belgischen Albenmarkt wagt. Zuletzt war er hier für den Zweiteiler „Träume“ verantwortlich, ebenfalls mit erotischem Touch und ebenfalls bei Splitter erschienen. Seine Zeichnungen funktionieren auch hier, wenngleich er sein Genre ja gar nicht gänzlich verlassen muss und eigentlich nur in ein anderes Format einsteigt. Fazit: eine turbulente, überdrehte Agenten-/Superhelden-Story mit viel Witz, Action und Tempo, einer naiven wie attraktiven Heldin und trotzdem genug Tiefgang, um so einerseits die Superhelden-Fraktion wie auch die Franko-Belgier anzusprechen und zu unterhalten. (bw)

Red Skin, Band 2: Jacky
Text: Xavier Dorison
Bilder: Terry Dodson
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-207-6

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